Gaelen Foley - Amantea - 02
Tjurinow dabei ertappte, wie er Serafina ein- zuschüchtern versuchte. Der Vormittag war damit vergan- gen, einen Nachfolger für Orsini zu finden und Cara ins französische Exil zu schicken.
Danach hatte er seinen Bericht an Zar Alexander geschickt und seinen Advokaten aufgesucht, um seine letzten Dinge – einschließlich eines Testaments – zu regeln.
Aus bloßer Sentimentalität hatte er außerdem die gelbe Villa von der Regierung gekauft und Serafina als die Erbin des Gebäudes eingesetzt. Er wollte ihr damit eine Zuflucht vor den oberflächlichen Parasiten am Hof ermöglichen. Na- türlich hoffte er auch, dass sie sich an ihn und jene glücklichen gemeinsamen Tage erinnerte.
„Sie will ihn gar nicht“, sagte der Kronprinz. „Sie gesteht das weder Vater noch sonst jemand. Es ist eine Schande! Warum soll eine junge Frau dazu gezwungen werden, uns alle zu beschützen? Wir sind doch Ehrenmänner, oder nicht?“ Er sprang plötzlich auf und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen.
„Was schlagen Sie vor?“
Rafael ballte die Hand zur Faust. „Wir kämpfen! Wenn Na- poleon glaubt, er könnte unsere Insel einnehmen, soll er es nur versuchen. Sie ist meine Schwester, ich werde sie beschützen! Und Sie helfen mir!“
„Ach, Rafael“, erwiderte Darius müde und wandte sich ab. „Wir sind viel zu wenige und wüssten nicht einmal, an wel-
cher Küste sie angreifen würden. Aber keine Sorge! Es wird schon alles gut werden.“
„Das heißt, dass Sie bereits etwas geplant haben. Ich hoffe es jedenfalls.“ Rafael schritt weiterhin aufgebracht auf und ab. „Vielleicht will Vater vor allem deshalb einen Krieg ver- meiden, weil er befürchtet, dass ich sofort zerfetzt würde, wenn ich auch nur einen Fuß auf ein Schlachtfeld setze. Gäbe es da nicht jenen großen Santiago, der mir ständig als Vorbild vor Augen geführt wird ...“ Er lächelte schalkhaft.
Darius zuckte zusammen. „Sagen Sie das nicht. Sie sind sein Sohn, sein Erbe.“
„Und Sie sind sein Mündel. Gewöhnliche Sterbliche wie ich werden in seinen Augen nie ganz an Sie heranreichen.“
Plötzlich wurde Darius klar, dass dies wahrscheinlich das letzte Mal war, dass er Rafael, der für ihn wie ein Bruder war, sehen würde. „Ich weiß, dass er streng mit Ihnen ist, Rafael. Aber nur, weil Sie ihm so viel bedeuten.“
„Glauben Sie, dass er jemals auf mich hören wird, wie er auf Sie hört?“
Darius zuckte die Schultern. „Ich habe bloß mehr Erfah- rung.“
„Und ich werde diese Erfahrung niemals sammeln kön- nen, weil mir nichts erlaubt wird. Er übt nur Kritik an mir. Nichts ist gut genug, und deshalb habe ich mich ent- schlossen aufzugeben. Ich werde also nur meinem Vergnügen nachgehen.“
Entsetzt blickte Darius ihn an.
Rafael fühlte sich sogleich schuldig. „Was ist denn?“ brummelte er missmutig.
„Wie können Sie so etwas sagen? Für den König geht die Sonne auf, wenn Sie den Raum betreten“, sagte Darius wü- tend. „Sie hätten einmal meinen Vater kennen lernen sollen. Da hätten Sie verstanden, was Strenge bedeutet.“
„Beruhigen Sie sich, Santiago“, meinte Rafael und lachte nervös.
In diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und Julia Calazzi schaute herein.
Darius warf dem Prinzen einen finsteren Blick zu. „Sie vergaßen, hinter sich abzusperren.“
Julia warf ihm ein mädchenhaftes Lächeln zu und glitt in das Gemach. Sie schloss die Tür hinter sich und kam mit den Hüften schwingend auf die beiden Männer zu.
Rafael beobachtete sie und pfiff bewundernd. „Da ist die
Dame meiner Träume. Warum besuchen Sie mich nie? Wie kann ich sie überreden, Santiago? Können Sie mir etwas raten?“
„Drehen Sie ihr nie den Rücken zu“, meinte Darius sar- kastisch.
Rafael trat von hinten an Julia heran und ergriff sie am Handgelenk. Trotz allem musste Darius schmunzeln, als er zusah, wie der junge Mann Contessa Calazzi ein wenig unge- schickt an sich zog. „Kommen Sie, Julia. Geben Sie mir eine Chance.“
Die Hofdame warf ihm einen verächtlichen Blick über die Schulter zu. „Ich bin zu alt für Sie. Suchen Sie sich eine junge Dame in Ihrem Alter.“
Der Prinz flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Daraufhin trat Julia ihm auf den Fuß. „Santiago! Er soll mich in Ruhe lassen!“
„Hören Sie auf“, sagte Darius trocken.
„Nun, ich wage es natürlich nicht, einen Boxer heraus- zufordern. Ihre Tugend ist nicht in Gefahr, meine Schöne“, erwiderte der Prinz mit schalkhaft funkelnden Augen.
Julia
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