Gaelen Foley - Knight 01
ei- nem jungen Burschen an, der vor dem Gefängnis herumlunger- te.
Hawk fragte nach Alfred Hamilton und wurde eingelassen. Während er dem Wärter folgte, schaute er sich genau um. Das Büro des Aufsehers war abgeschlossen. „Der Aufseher hat heute Abend wohl keinen Dienst?“ fragte er leichthin.
„Der ist nur am Tag da.“
„Ah“, nickte Hawk und musterte den Mann. „Da sind Sie be- stimmt erleichtert. Er kann ganz schön hart sein. “
„Aye, Sie sagen es. Verdammter Sklaventreiber “, brummte der junge Wärter.
Als sie die Tür zu Hamiltons Zelle erreichten, drehte sich der Wärter hoffnungsfroh um, um das ausstehende Schmiergeld in Empfang zu nehmen.
Hawk drückte ihm zehn Goldsovereigns in die Hand, was für den Mann vermutlich mehr war als ein Monatslohn. „Wissen Sie, wo ich ihn finden kann?“
„Den Aufseher?“
„Ich möchte ihn gern sprechen.“
Der Wärter starrte auf die Münzen, schloss die Faust darum und schluckte nervös. „Wahrscheinlich in der ,Cock Pit Tavern’ in der Pudding Lane.“
„Sicher?“
Der Wärter blickte sich verstohlen um. „Sicher. Wir haben grad unsern Lohn gekriegt, und da geht er dann immer hin, um beim Hahnenkampf zu setzen. Außerdem gibt’s da außerhalb der Schankzeiten was zu trinken, wegen den Fischhändlern. Der Aufseher nimmt gern einen zur Brust, früh und spät.“ Hawk nickte und gab dem Wärter noch ein paar Münzen, da- mit der seinen Besuch vergaß. Dann ging er in Hamiltons Zel- le, um den Alten mit den harten Fakten zu konfrontieren. Und das tat er erbarmungslos; die entsetzten Schreie des al-
ten Mannes hallten ihm noch in den Ohren, als er das Gefäng- nis mit einem flauen Gefühl im Magen verließ. Jede Anwand- lung, Alfred Hamilton aus dem Schuldgefängnis auszulösen, hatte sich verflüchtigt, als er erfahren hatte, welche Konse- quenzen das verantwortungslose Verhalten des Vaters für Be- linda gezeitigt hatte. Von ihm aus konnte der alte Mann dort verrotten.
Draußen gab er dem jungen Burschen die versprochene Münze und fuhr ostwärts durch die City in die Lower Thames Street. Vom Fluss stieg Nebel auf. Als der Gestank des Billings- gate-Fischmarkts die Luft erfüllte, wusste er, dass er bald da war.
In der Ferne dräute der Londoner Tower, eingehüllt in Ne- belschwaden.
Hawk bog links in die schmale Pudding Lane ein und ent- deckte gleich darauf die „Cock Pit Tavern“, in der es hoch her- ging, dem Lärm nach zu urteilen. Er stellte die Kutsche im Schatten einer Einfahrt ab und schob sich dann in den über- füllten Pub. Hawk entdeckte den Gefängnisaufseher in einer Gruppe lärmender Männer, die am Hahnenkampfplatz stan- den und ihre Wetten abschlossen.
Hawk schlüpfte wieder hinaus in die Nacht und kehrte zu seiner Kutsche zurück. Dort wartete er in brütendem Schwei- gen. Hin und wieder nahm er einen Schluck aus der Silberfla- sche. Der Brandy hielt ihn warm, auch als es zu nieseln begann. Jedes Mal wenn die Kneipentür aufschwang und warmes Licht auf das nasse Kopfsteinpflaster fiel, blickte er auf, doch der Aufseher kam nicht.
Nach der ersten Stunde stieg er vom Kutschbock, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Auf einem Abfallhaufen entdeck- te er ein Stück Bleirohr. Mit einem grimmigen Lächeln hob er es auf und nahm es zur Kutsche mit. Eine weitere Stunde ver- strich. Er schaute auf seine Taschenuhr. Viertel nach zwei. In zwei Stunden würde er sich mit Dolph Breckinridge duellieren – im Sommer dämmerte es bereits um vier Uhr morgens.
Der Nieselregen wurde stärker. Irritiert blickte er zum Him- mel auf. Plötzlich ging die Tür zum Pub auf, und der Gefäng- nisaufseher kam herausgestolpert.
Hawk spannte sich an. Sein Herz raste. Langsam beugte er sich auf dem Kutschbock vor. In der Ferne grollte Donner. Der Aufseher kam in Begleitung von zwei Männern heraus,
doch die verabschiedeten sich an der Ecke und schwankten Richtung Fluss davon, während der Aufseher die Straße hi- naufging. Hawk wartete wie ein Beutegreifer im Dunkeln. Leise glitt er vom Kutschbock. Als der Aufseher näher kam, trat Hawk aus den Schatten und auf den Mann zu. Der Aufse- her sah ihn und schielte dann durch den Regen auf die Kut- sche.
„Droschker! Fahr mich nach Cheapside“, lallte er.
Hawk stutzte und grinste dann. „Hier herum bitte.“
Kurz darauf lag der Aufseher geknebelt auf dem Boden der Kutsche, und Hawk drückte ihm das Knie ins Kreuz. Der Auf- seher hatte Bärenkräfte, und sie kämpften in der Kutsche wie
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