Gaelen Foley - Knight 01
zurückzuführen ist, dass er sich an Anstand und Sitte hält und ein außerordentlich großes Maß an Ehrenhaftigkeit besitzt.“
Na also. Gesprochen wie eine loyale Dienstbotin.
Doch dann merkte sie, dass ihre Worte, so sie Lady Bor- rowdale über ihre Anwesenheit zu beruhigen gesucht hatten, eine gegenteilige Wirkung zeitigten. Empört blitzte die Matro- ne sie an.
„Was für eine unglaubliche Unverschämtheit!“ rief sie aus. „Soll dies etwa Ihr Vorbild sein, Lady Jacinda? Eine arrogante Londoner Miss mit Londoner Allüren? Das ist unerhört, sage ich, einfach unerhört.“
„Eine Weigerung, vor Ihnen im Staub zu kriechen, lässt sich wohl kaum als Arroganz bezeichnen“, erwiderte Bel. Sie war erstaunt, wie leicht es ihr fiel, diese aufgeblasene Frau an ih- ren Platz zu verweisen. Es war nicht schwerer, als verliebte Herren zur Räson zu bringen.
Lady Borrowdale keuchte. „Ich gestatte nicht, dass eine Gouvernante in so einem Ton mit mir spricht! Entschuldigen Sie sich, junge Frau!“
„Wofür? Ich habe Sie nur auf den hervorragenden Ruf Seiner Gnaden hingewiesen.“
„Von Ihnen brauche ich keine Belehrungen, Miss! Sie sind wirklich unverschämt! Aber der Herzog wird davon erfahren.“ Als sie diese Drohung vernahm, tat Bel etwas, was sie nicht hätte tun sollen. Sie wusste es. Aber nach ah den Monaten, in denen sie sich die hasserfüllten Blicke von Frauen wie dieser widerwärtigen Marchioness hatte gefallen lassen müssen, konnte sie sich nicht zurückhalten. Sie erwiderte Lady Bor- rowdales wütenden Blick mit einem kühlen, ironischen Lä- cheln, als wollte sie sagen: „Erzählen Sie ihm, was Sie wollen, mich werden Sie auf die Art nicht los.“
Es war das Lächeln einer Kurtisane.
Lady Borrowdale starrte sie schockiert und aufgeregt an.
„Mylady“, mischte sich Jacinda vorsichtig ein, „vieheicht ist jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt für einen Besuch.“
„Wir haben heute die Ruinen besichtigt und sind ein biss- chen müde“, ergänzte Lizzie ängstlich.
„Wollen Sie nicht morgen zum Tee kommen?“
„Hmmpf!“ sagte Lady Borrowdale und sah sie misstrauisch an. „Morgen habe ich keine Zeit. Ist der Herzog Mittwoch- nachmittag zu Hause?“
„Schwer zu sagen. Mein Bruder hat in letzter Zeit sehr viel zu tun ...“
„Richten Sie ihm aus, dass ich ihn zu sprechen wünsche“, be- fahl sie Jacinda.
Selbst Jacinda wirkte eingeschüchtert. „Ja, Madam.“
„Kutscher!“ bellte Lady Borrowdale. Sie warf Bel einen letz- ten bösen Blick zu, während der Fahrer den Wagen wendete. Die drei standen am Wegrand und schauten der Marchioness und den faden Schwestern nach. Dann drehte sich Jacinda mit ungläubig funkelnden Augen zu Bel um. Verlegen erwiderte Bel den Blick. Lizzie war die Erste, die zu kichern anfing.
„Dieser Blick! Ich dachte, sie fällt auf der Stehe aus dem Wa- gen!“
„Es war nicht richtig von mir“, begann Bel, doch die beiden Mädchen brachen in lautes Gelächter aus, und selbst der La- kai gestattete sich ein Lächeln.
„Sie hat es verdient! Seit Jahren schon!“ rief Lizzie und wischte sich eine Träne aus dem Auge. „Meine liebste Miss Ha- milton, bitte bringen Sie mir bei, wie man sich zur Wehr setzt!“
Robert lächelte, als er die Geschichte hörte, und versprach, je- de Unannehmlichkeit zu bereinigen, doch in einem behielt Bel Recht – die Marchioness und ihre Töchter waren erst der An- fang, und nicht alle waren so hässlich wie die faden Schwes- tern.
Aus dem ganzen Umkreis kamen die jungen Schönen, angeb- lich, um Jacinda zu besuchen, doch in Wirklichkeit hatten sie es nur auf Robert abgesehen. Bei jeder Gelegenheit tappten sie durch die Gänge, in der Hoffnung, einen Blick auf ihn zu erha- schen, und Robert hielt sich kaum noch in der Nähe der Be- suchszimmer auf.
In jener Nacht lag Bel lange wach und grübelte darüber nach, dass er eines Tages heiraten müsste. Was sollte sie dann tun? Bleiben? Ihn verlassen?
Sie hatte keine Ahnung. Darüber hatten sie noch nie gespro- chen, es gab keinen Grund, darüber zu reden, denn seine Hei- rat hatte nichts mit ihr zu tun. Bei Männern seines Ranges gründeten die Ehen auf Macht und Besitz, so einfach war das. Sie nahm ihm seine Pflichten nicht übel; schließlich hatte sie von Anfang an gewusst, dass ein so hochgeborener Liebhaber ihr nie die Ehe bieten könnte, und sie hatte es auch nie erwar- tet.
Trotzdem tat es weh.
Sie tröstete sich mit dem Wissen, dass sie, auch wenn sie nie seinen
Weitere Kostenlose Bücher