Gaelen Foley - Knight 01
erbleichte und gestand: „Sie sind im alten Boudoir der Herzogin, Euer Gnaden.“
Erzürnt wirbelte Hawk herum und stieg in den dritten Stock empor. Er konnte nicht fassen, dass seine Schwester ein altes Tabu gebrochen hatte. Aus einem Raum drang Mädchenge- lächter, und als er die Tür aufriss, hef er bei dem Anblick, der sich ihm bot, vor Zorn dunkelrot an.
Jacinda saß vor dem vergoldeten Frisiertischchen ihrer Mut- ter und sah mit der riesigen weißen Perücke einfach lächerlich aus. Sie war gerade dabei, ein Schönheitspflästerchen an ihrer Wange zu befestigen.
„Was treibt ihr da?“ knurrte er drohend.
Alle erstarrten.
Jacinda sprang auf und riss sich die Perücke vom Kopf. „Nichts.“
Lizzie Carlisle nahm die Federboa ab, die sie sich um den Hals geschlungen hatte, und versteckte sich hinter Jacinda. „Du weißt, dass du hier nichts zu suchen hast!“
„M...Miss Hamilton hat es aber erlaubt“, stotterte Jacinda. „Robert, was ist los mit dir?“
Beim Klang von Bels Stimme blickte er auf. Sie hatte es sich mit einem Buch im Fenstersitz gemütlich gemacht und kam nun stirnrunzelnd auf ihn zu. „Das ist doch ein ganz harmlo- ses Vergnügen.“
Natürlich hatte sie keine Ahnung, dass es sich bei ihm um ei- nen wunden Punkt handelte. „Niemand darf diesen Raum be- treten, und das wissen die Mädchen auch.“
„Warum nicht?“
„Weil ich es sage. Jacinda, zieh sofort diese furchtbaren Pflästerchen von deinem Gesicht ab und geh nach unten. Lady Pentrith und ihre Tochter warten schon eine geschlagene Vier- telstunde auf dich.“
„Warum bist du so gemein?“ rief sie. „Du bist genau wie Pa- pa! Sie war doch auch meine Mutter!“
„Schau dich an! Wie eine Schlampe siehst du aus. Nimm die Dinger aus dem Gesicht!“ brühte er sie an.
„Robert!“ Bel trat vor ihn hin. „Schrei sie nicht an. Sie hat sich doch nur ein bisschen verkleidet.“
„Du halt dich raus! Jacinda ...“
„Ich geh ja schon!“ Sie entfernte das letzte Schönheitspfläs- terchen und rannte mit verängstigter, verletzter Miene hinaus. Lizzie eilte ihr nach. Auch ihr warf Robert einen vorwurfsvol- len Blick zu.
Dann knallte er die Tür zu und ging auf Bel los. „Ich dachte, ich könnte sie dir anvertrauen!“
„Was soll das jetzt heißen?“
„Seit sechzehn Jahren bemühe ich mich, aus diesem Wild- fang eine Dame zu machen. Du hattest kein Recht, sie hierher zu bringen.“
„Robert, Jacinda hat ein Recht darauf, etwas über ihre Mut- ter zu erfahren – und du auch. “
„Diese Frau mag uns vieheicht zur Welt gebracht haben, aber sie war nie eine richtige Mutter für uns. Mrs. Laverty war mir eher eine Mutter, als es die Hawkscliffe-Hure je gewesen ist.“
„Das meinst du. Sie hat es versucht. Dein Vater hat sie nicht gelassen.“
„Du weißt überhaupt nichts von meinen Eltern.“
„Du anscheinend auch nicht.“ Sie hielt ihm das Buch hin, in dem sie gelesen hatte, einen alten Leinenband, der mit einem blauen Bändchen verschlossen werden konnte. Voll Mitgefühl sah sie ihn an. „Nimm es, Robert. Es ist das Tagebuch deiner Mutter.“
Schockiert schaute er sie an. „Du hast ihr Tagebuch gelesen? Wie konntest du nur?“
„Sie hätte es verstanden, vor allem wenn ich dir begreiflich machen kann, wie sehr sie dich geliebt hat. Allmählich wird mir klar, warum du so zornig auf sie bist.“
„Zornig? Wer sagt, dass ich zornig bin? Warum sollte ich zor- nig sein?“ schrie er. „Ich habe bloß mein Leben lang versucht, ihre Hurerei wieder gutzumachen, was sollte ich da zornig sein?“
„Robert, sei gerecht. Inzwischen muss dir doch klar sein, dass dein Vater dich von klein auf gegen sie aufgehetzt hat ...“
„Mein Vater war ein guter Vater! Er hat mich den Unter- schied zwischen Gut und Böse gelehrt – ach, du verstehst das nicht.“ Er rang um Beherrschung, denn Bel sollte nicht mer- ken, wie sehr ihn dieses Thema aufwühlte. „Ich war alles, was mein Vater hatte“, stieß er hervor. „Vieheicht hat er ja zu viel getrunken, aber er war doch so ehrenhaft, nach Jacks Geburt bei ihr zu bleiben, statt uns durch einen Scheidungsskandal zu zerren. Und wie hat sie es ihm gedankt? Hat’s mit einem Mar- quis getrieben und uns die Zwillinge beschert. Versteh mich nicht falsch, ich bin froh, dass meine Brüder auf der Welt sind,
aber findest du es nicht ein wenig seltsam, dass sie andauernd Kinder bekommen hat, obwohl sie gar keine wollte?“
„Das glaubst du? Dass sie euch nicht wollte?
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