Gaelen Foley - Knight 01
Damian in der Armee versucht – er sollte Waffen entwerfen und mit den Konstrukteuren zu- sammenarbeiten –, aber er hat sich dort ganz elend gefühlt. Er hasst es, Befehle entgegenzunehmen.“
„Lord Lucien ist eher wissenschaftlich orientiert, Miss Ha- milton“, erläuterte Lizzie weise. „Alle halten ihn für ein Ge- nie.“
„Wenn du das sagst, Lizzie. Weiß der Himmel, ich hab nie ei- ne Ahnung, wovon er spricht. Und jetzt will ich was zu essen!“
„Dann auf zum Festmahl“, erwiderte Bel munter, immer noch fasziniert vom exotischen Knight-Clan, aber etwas be- sorgt ob Jacindas Erklärung, sich viele Liebhaber zu nehmen. Selbst wenn sie sie damit nur hatte schockieren wollen, verhieß es nichts Gutes.
Als sie sich zu ihrem Picknick niederließen, bestehend aus Schinken, Käse und Obst, betrachtete Bel nachdenklich Jacin- das kecke, koboldhafte Züge. „Erzähl mir von deiner Mutter, Jacinda. Erinnerst du dich überhaupt an sie?“
„Ein bisschen. Sie war wunderschön und klug und hatte vor nichts Angst“, antwortete sie und blickte sehnsüchtig in den murmelnden Bach. „Alle waren auf sie eifersüchtig, deswegen haben sie sie gehasst – weil ihre Persönlichkeit zu groß war für die kleine Schachtel, die die Welt für sie vorgesehen hatte.“
Lizzie sah Bel beunruhigt an.
„Robert schämt sich für unsere Mutter, aber nur, weil Papa ihn gegen sie aufgehetzt hat.“
Bel runzelte die Stirn. „Wirklich?“
„Zumindest sagt Alec das. Robert erlaubt mir ja nicht ein- mal, ihm Fragen über Mama zu stellen, obwohl er der Älteste ist und sie am besten kannte. Das ist einfach nicht richtig. Die Leute reden über ihre Liebhaber und ihre Salons und die gan- zen Skandale, aber wissen Sie, wie sie gestorben ist, Miss Ha- milton?“
Bel schüttelte den Kopf. Sie war sich nicht sicher, ob sie es hören wollte – das Mädchen wirkte so grimmig.
„Als in Frankreich der Terror begann, hat Mama sich für die Flüchtlinge eingesetzt. Ihre liebste Freundin, die Vicomtesse de Turenne, bat Mama, ihre Kinder aus Frankreich heraus zu- schmuggeln – der Vicomte war schon vom Mob gelyncht wor- den. Unter Lebensgefahr ist Mama nach Paris gefahren, und ab da hat sie Aristokratenkindern geholfen, aus Frankreich zu entkommen. Sie ist dann öfter nach Frankreich gefahren und hat noch mehr Kinder gerettet. Emigranten wurden als Verrä- ter angesehen, und wer ihnen half, das Land zu verlassen, machte sich strafbar. Mama wurde im Herbst 1799 verhaftet, in den letzten Monaten des Direktoriums. Man hat sie als Royalistin und englische Spionin verurteilt und erschossen.“
Bel starrte sie an.
„Es ist wahr“, murmelte Lizzie ernst.
Bel konnte es einfach nicht begreifen. Eine Weile schwiegen sie alle. Konnte das wirklich dieselbe Frau sein, für die sich Robert schämte?
„Jacinda“, sagte Bel schließlich vorsichtig, „deine Mutter war eine richtige Löwin. Ich habe noch nie von einer so muti- gen Tat gehört. Ich weiß, dass du wie sie sein willst, aber um ih- retwillen hoffe ich, dass du dir allergrößte Mühe gibst, dich an die Regeln des guten Tons zu halten, zumindest bis du verhei- ratet bist, denn glaub mir, meine Liebe, es tut sehr weh, wenn einen alle Welt missbilligt. Ich will nicht, dass du verletzt wirst – und vergiss nicht, wenn du dich mit einem jungen Mann ein- lässt, könnte es passieren, dass sich einer deiner Brüder um deiner Ehre willen duellieren müsste. Und zu erleben, dass je- mand, den man hebt, sein Leben aufs Spiel setzt, nur weil man selbst einen dummen Fehler gemacht hat – das ist wirklich
furchtbar, glaub mir.“
Diese Rede machte Eindruck auf Jacinda. Sie starrte Bel aus großen Augen an und nickte. Danach wandten sie sich leichte- ren Themen zu, beendeten ihr Picknick und fertigten dann Skizzen der Ruine an. Als sie sich schließlich auf den Rückweg machten, war Bel ganz müde und entspannt.
Das Vogelgezwitscher auf den Feldern lullte sie ein, doch plötzlich hörte sie Hufgetrappel auf der Straße. Die drei wand- ten sich um, während der Lakai einem Landauer Platz mach- te, der von einem Gespann Grauer gezogen wurde.
„Oh Gott“, stöhnte Jacinda, „Lady Borrowdale und die fa- den Schwestern.“
„Jacinda!“ schimpfte Lizzie, ein Grinsen verbergend.
„Wer ist das denn?“
„Die Marchioness of Borrowdale, unsere ermüdendste Nach- barin. Sie ist wild entschlossen, zwei meiner Brüder für ihre furchtbaren Töchter zu schnappen. Der arme Robert, er kriegt
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