Gaelen Foley - Knight 01
er könnte ihr Vater sein.“
„Ich glaube gar, ich häng mich auf, wenn ich sie nicht be- komme!“
„Also gut, also gut“, erklärte Dolph und drehte sich um, die Hände in die Hüften gestemmt. „Ich hab angebissen. Um wen geht es?“
Abrupt hielten die anderen inne, sahen sich an und lächelten verstohlen.
„Wo waren Sie denn in letzter Zeit?“ erkundigte sich einer.
„In Brighton, beim Prinzregenten“, erwiderte Dolph herab- lassend. „Was gibt’s denn für Neuigkeiten?“
„Eine neue Kurtisane, zum Niederknien schön“, antwortete Colonel Hanger. „Wir schließen Wetten darauf ab, wer sie als Erstes aushalten darf.“
Dolph lachte spöttisch. Diese Narren dachten, sie wüssten, was Schönheit ist.
„Zweifeln Sie etwa daran?“ empörte sich ein Stutzer.
„Wie sieht sie denn aus?“ fragte Dolph skeptisch.
Die Herren seufzten unisono.
„Haare wie gesponnener Sonnenschein ...“
„Bitte ersparen Sie uns Ihre poetischen Anwandlungen, Al- vanley“, meinte Brummell mit schleppender Stimme. „Sie ist eine blauäugige Blondine. Und einfach atemberaubend.“
„Pah“, schnaubte Dolph. „Die gibt’s doch wie Sand am Meer.“
Aus unerfindlichen Gründen wurde er plötzlich unruhig. Er wandte den anderen den Rücken zu, als der Kellner den Hack- braten servierte.
„Hat irgendwer gehört, wo Miss Hamilton heute Abend er- scheinen wird?“ fragte jemand hinter ihm.
Prompt verschluckte sich Dolph an seinem Bissen.
„Vermutlich auf Harriettes Soiree.“
Dolph schoss von seinem Stuhl hoch. „Wie, sagten Sie, heißt sie?“
„Wer?“
„Die Kurtisane“, knurrte er und senkte den Kopf wie ein Stier.
Colonel Hanger bedachte ihn mit einem Lächeln und erhob sein Glas. „Miss Belinda Hamilton.“
Voll Entsetzen fuhr er zurück.
„Auf Miss Hamilton!“ riefen die anderen und erhoben eben- falls ihr Glas, aber Dolph war schon zur Tür hinaus.
Er schrie nach seinem Phaeton, und im nächsten Moment jagte er Richtung Marylebone. Er wusste, wo Harriette Wilson wohnte, da er schon oft an den wilden Gesellschaften am York Place teilgenommen hatte.
Das konnte einfach nicht wahr sein! Wahrscheinlich war es eine Verwechslung oder ein Scherz oder ein Zufall. Das würde sie nicht tun – niemals! Sie war prüde, eine Jungfrau, eine Da- me. Verdammt, sie gehörte doch ihm.
Da er sich vor Zorn kaum aufs Kutschieren konzentrieren konnte, hinterließ er hinter sich eine Spur der Verwüstung, während er auf das elegante Stadthaus der regierenden Venus- priesterin zudonnerte.
Wenn es stimmte – wenn Belinda wirklich dort drin war, dann würde er die Tür zerschmettern und sie an den Haaren herauszerren. Den ganzen Weg nach Gretna Green.
Vor Harriette Wilsons Haus sprang er aus der Kutsche, eilte zur Tür und bearbeitete sie mit den Fäusten.
„Aufmachen! Aufmachen! Harriette, machen Sie auf, Sie
dreckiges Stück! Verdammt, Bel, ich weiß, dass du da drin bist. Lass mich gefälligst rein!“
Abrupt ging die Tür auf, und Dolph stand einem der Schlä- gertypen des Hurenhauses gegenüber, einem großen, massiven Lakaien, der wie ein ehemaliger Boxer aussah. Ihm fiel wieder ein, dass Harriette sich ein paar von den Knaben als Leibwa- che hielt.
„Kann ich Ihnen helfen?“ knurrte der Mann.
„Ich möchte ...“ Er versuchte sich zu beruhigen. Ein Schweißtropfen hef ihm die Wange hinunter. „Wohnt hier ein Mädchen namens Belinda Hamilton?“
„Miss Hamilton hat gerade Besuch“, erwiderte der Lakai. „Sie können Ihre Karte dalassen.“
Dann stimmte es also!
Dolph starrte den Mann voll ungläubigem Entsetzen an, bis der ihn anschnaubte und die Tür zuschlug. Dolph fing wieder an zu rufen und gegen die Tür zu hämmern. Diesmal kam nie- mand. Er stolperte rückwärts auf die Straße, legte den Kopf in den Nacken und brüllte außer sich vor Zorn: „Belinda!“
Obwohl sich die ganze Welt um ihn zu drehen schien, sah er, dass sich am oberen Fenster etwas bewegte. Der Vorhang flat- terte. Mit glimmenden Augen starrte er hinauf. Die Nachmit- tagssonne spiegelte sich in den Scheiben, als das Fenster auf- ging. Dann erschien sie – nur dass es irgendwie gar nicht seine kleine Bel mit dem fadenscheinigen Wollumhang war.
Sie konnte es nicht sein.
Ehrfürchtig betrachtete Dolph die wunderschöne Fremde. Die Kurtisane am Fenster war eine bleiche, elegante Göttin. Ihre glänzenden flachsblonden Locken waren zu einer raffi- nierten Frisur aufgesteckt. Sie trug juwelenbesetzte Ohrringe und
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