Gaelen Foley - Knight 01
folgen. Was für ein verführerisches Ding sie doch war! „Ich habe sowieso vor, Sie für mich zu gewinnen, also können Sie mir gleich alles erzählen“, erklärte er ihr mit gespielter Über- heblichkeit.
„Tatsächlich?“ Sie drehte sich um und betrachtete ihn miss- trauisch und überrascht. „Harriette sagt, dass Sie auf unseres- gleichen herabschauen.“
Er nahm ihre Hand und drückte einen galanten Kuss darauf. „Ich bin nicht unempfänglicher für atemberaubende Schön- heit als andere Männer“, schmeichelte er.
„Sind Sie nie um eine Antwort verlegen?“
„Selten.“
Sie seufzte. „Also schön, aber seien Sie sich im Klaren darü- ber, dass das, was ich Ihnen erzähle, vertraulich ist.“
„Ich würde nie weitererzählen, was Sie mir anvertrauen.“
„Ich bin Dolph letzten Herbst bei einem Jägerball begegnet. Ich hatte keinerlei Interesse, ihn kennen zu lernen, weil ich mitbekommen hatte, dass er sich den ganzen Abend über uns Landpomeranzen lustig gemacht hatte, aber anscheinend be- fand er mich einer Aufforderung zum Tanz würdig. Er kannte einen meiner Nachbarn und bat darum, vorgestellt zu werden; dem konnte ich nicht entgehen. Ich habe gleich gemerkt, wie durch und durch widerwärtig er ist, aber leider habe ich ihm gefallen, und vom nächsten Tag an verfolgte er mich. Als er merkte, dass es mir ernst war mit der Abweisung, wurde er un- angenehm.“
„Inwiefern?“
„Er hat dafür gesorgt, dass mein Vater ins Schuldgefängnis kam. So hat es angefangen.“
Hawk blieb stehen und starrte sie an. „Wie ist ihm denn das gelungen?“
Sie verzog das Gesicht. „Leider ist Papa ganz verrückt nach illuminierten Handschriften; er sammelt sie. Um das zu verste- hen, müssten sie ihn kennen. Alle lieben meinen Vater. Selbst die Gläubiger waren nie sehr streng mit ihm. Wenn sie kamen, um die Schulden einzutreiben, hat Papa sie immer in seine Bi- bliothek gezerrt und ihnen die neueste Handschrift gezeigt, die er gekauft hatte, statt unsere Rechnungen zu zahlen. Die Gläu- biger wurden von seiner Begeisterung angesteckt und ließen ihn mit der Warnung davonkommen, nächsten Monat müsse er aber zahlen. Aber das hat er nie gemacht. Und dann hat Dolph die Ladenbesitzer dazu gebracht, das Geld endgültig einzu- treiben. Er versprach ihnen, ihnen Aufträge seiner Londoner Freunde zu verschaffen, wenn sie meinen Vater unter Druck setzten. Im Handumdrehen saß Papa im Schuldgefängnis. Und dort sitzt er noch – und ich bin hier. “
„Hier? Wie meinen Sie das?“
Sie lächelte ihn leicht verschreckt an. „Sie wissen, was ich meine, Robert.“
„Bitte, Miss Hamilton, wer ist Ihr Vater? “
„Ein Gentleman ...“
„Ein Gentleman? Sie nennen einen Mann, der alte Bücher kauft, während seine Tochter vor der Wahl steht, entweder ih-
ren Körper zu verkaufen oder zu verhungern, einen Gentle- man?“
„Beleidigen Sie meinen Vater nicht! Er ist alles, was ich ha- be“, wies sie ihn scharf zurecht.
Hawk schloss den Mund, doch wirkte er alles andere als zu- frieden. Anscheinend hatte er auch bei ihr einen wunden Punkt getroffen, denn sie wirkte verärgert und konnte es nicht auf sich beruhen lassen.
„Mein Vater kann nichts für meine Entscheidung, das zu werden, was ich bin. Daran ist Dolph schuld, der uns alles ge- nommen hat. Wie können Sie es wagen, auf mich herabzuse- hen? Ich hatte keine andere Wahl.“
„Und was hält Ihr Vater davon, dass Sie auf den Strich ge- hen, um seine Haut zu retten?“
„Papa weiß nichts davon.“
„Nachdem Sie so berühmt geworden sind, glauben Sie nicht, dass er es eines Tages herausfindet?“
„Mein Vater weiß ja nicht mal, in welchem Jahrhundert wir leben!“ rief sie und warf die Hände hoch. Dann seufzte sie frustriert auf und wandte sich ab.
Hawk konnte sein Missfallen kaum verbergen. „Wollen Sie etwa sagen, dass sich Ihr Vater nicht dazu überreden ließ, auf seine kostbaren Bücher zu verzichten, um Sie beide zu retten?“
„Die Handschriften gehörten ihm schon nicht mehr. Er hat sie der Bodleian-Bibliothek gestiftet.“
„So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört“, murmelte er, zu verärgert, um den Mund zu halten. „Verzeihen Sie, aber Ihr Vater scheint ein rechter Narr zu sein. Genau die gedankenlo- se, unverantwortliche Dummheit, die mir so zuwider ist ...“ Vor Empörung blieb ihr der Mund offen stehen, und ihre Au- gen funkelten. „Das war’s.“ Sie wirbelte herum und begann sich von ihm zu entfernen, und zwar
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