Gaelen Foley - Knight 01
in bester Ordnung. Vielleicht sollte er doch nach ihr sehen – aus reiner Höflichkeit. Er wollte schließlich nicht unfreundlich sein.
Irgendwie erforderte es ziemlich viel Mut, die Treppe hinauf- zugehen und bis zu ihrem Zimmer zu schleichen. Er horchte an der Tür und zuckte zusammen, als er sie leise weinen hörte. Er runzelte die Stirn, er machte ein finsteres Gesicht, er rang mit sich, und am Ende klopfte er an, überzeugt, dass es eine schlech- te Idee war.
„Belinda?“
Er wartete, aber sie antwortete nicht. Mit besorgtem Stirn- runzeln drehte er den Knauf, öffnete die Tür und blickte hinein. Sie lag zusammengerollt auf dem Bett, und das lange blonde Haar strömte ihr über die Schultern. Sie bat ihn nicht herein, aber sie schickte ihn auch nicht weg. Hin und her gerissen, ent- schied er, dass er ihr ritterlich zu Hilfe eilen musste.
Er trat ans Bett und ließ sich auf der Kante nieder. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt. Zögernd berührte er ihr seidiges Haar. „Meine Arme“, flüsterte er. „Na, na, so schlimm kann es doch nicht sein.“
Sie hörte nicht auf zu weinen.
Er tätschelte ihr die Schulter. „Möchten Sie mir verraten, wer das eben war?“ fragte er in seinem sanftesten Ton.
Eine lange Weile herrschte Stille.
„Der Mann, den ich heiraten wollte.“
Hawk empfand den Schmerz in ihrer ruhigen Antwort wie ei-
nen körperlichen Schlag. Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf, als sie erneut zu weinen begann.
„Jedem wird mal das Herz gebrochen, meine Liebste. Sie sind jung, Sie werden es überwinden.“ Er lehnte sich gegen das Kopfteil des Bettes und strich ihr die Haare hinter die Ohren. Ihr Schluchzen wurde ein wenig ruhiger, als er fortfuhr, ihr über das Haar zu streichen. Seine Berührung war sanft und zärtlich. „Sie werden sich wieder verlieben, wenn Sie dem Richtigen be- gegnen.“
„Ich werde mich niemals verlieben“, sagte sie leise und ver- zweifelt, ihm immer noch den Rücken zukehrend.
„Woher wollen Sie das wissen?“ murmelte er. Ihr jugendlicher Kummer erinnerte ihn stark an seine eigene Stimmung nach Lucys Tod.
„Weil eine Kurtisane sich nicht verlieben darf, das wäre ihr Ende.“
Sie drehte sich auf den Rücken und schaute zu ihm auf. In ih- ren langen Wimpern hingen Tränen. Er hatte sie noch nie so schön gesehen.
Seine Gefühle drohten ihn zu überwältigen, und er brachte kaum einen Ton heraus. „Belinda, Ihr Herz ist zu süß, um es ein- fach wegzuwerfen.“
„Alle lassen mich im Stich, Robert“, flüsterte sie und blickte ihn verzweifelt an – ein junges Mädchen ohne Hoffnungen und ohne Träume.
„Ich nicht“, antwortete er, ohne einen Moment zu zögern – und setzte sich damit selbst in höchstes Erstaunen.
In der darauf folgenden Stille erwiderte er ihren Blick und fragte sich, ob er soeben mehr versprochen hatte, als er zu hal- ten bereit war.
Aber ihm war bewusst, dass diese reizende junge Zynikerin ihm ohnehin nicht glaubte, obwohl sie mit einem leisen Lächeln zeigte, dass sie ihm für seine guten Absichten dankbar war. Sie seufzte, schloss die Augen und schmiegte ihr Gesicht an seinen Oberschenkel. „Sie sind ein guter Mann.“
Zärtlich streckte er die Hand aus und fing mit dem Finger ei- ne Träne auf und wischte sie weg. Seine Stimme war seltsam rau. „Und Sie, Miss Hamilton, sind viel zu gut für einen gedan- kenlosen jungen Soldaten.“
Er sah, wie sich ihre schönen Lippen zu einem schwachen Lä- cheln verzogen, aber sie hielt die Augen geschlossen.
„Robert?“ flüsterte sie kaum hörbar.
„Ja?“
„Wenn ich Ihnen mitteilen würde, dass es etwas gibt, was mir sehr wichtig ist“, sagte sie zögernd, „etwas, was ich tun muss – würden Sie mir helfen?“
„Worum geht es denn?“
Sie schlug die Augen auf. Er entdeckte Furcht darin. „Ich muss meinen Vater im Fleet-Gefängnis besuchen, aber allein habe ich Angst. Würden Sie mich begleiten? Würden Sie morgen mit mir hingehen?“
„Nun, selbstverständlich. Gern.“
„Wirklich?“ fragte sie und schien den Atem anzuhalten. „Wir können dort hingehen, wann immer Sie wollen.“
Er hörte, wie sie erleichtert ausatmete. Sie ergriff seine Hand und verflocht ihre Finger mit den seinen.
Eine Weile schwiegen sie. Er strich ihr mit der anderen Hand über das Haar und staunte, wie weich es war.
„Robert“, flüsterte sie noch drängender.
„Ja, Belinda?“
Reglos lag sie da, das Haar über die Matratze gebreitet. Sie schloss die Augen.
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