Gaelen Foley - Knight 01
in kameradschaftlicher Stimmung. Hawk hatte das Gefühl, als hätte er zehn Jahre rigider Selbstkontrolle abge- legt.
Arm in Arm schlenderten sie Richtung Pall Mall, kühne Ver- bündete, die sich nichts aus den missbilligenden Blicken mach- ten. Als sie am Haymarket um die Ecke bogen, wären sie bei- nahe mit einem Trio junger Offiziere im roten Rock zusammen- gestoßen. Sie entschuldigten sich, und Hawk murmelte ein ver- ärgertes „Pardon“, als er plötzlich bemerkte, wie Bel den Soldat in der Mitte anstarrte.
Ihr Gesicht wurde kalkweiß.
Der hübsche junge Offizier mit dem welligen braunen Haar war wie vor den Kopf geschlagen. „Bel?“
„Mick“, sagte sie schwach.
Der spitzbübische junge Mann strahlte vor Freude.
„Bel! Da ist ja mein Mädchen!“ Mit einem Freudenschrei, der über die belebte Straße hallte, packte er sie um die Taille und wirbelte sie herum. „Ich kann nicht glauben, dass du es bist! Was um alles in der Welt machst du in London? Das ist das Mäd- chen, von dem ich euch erzählt hab“, erklärte er seinen Freun- den.
„Lass mich los!“ stieß sie hervor und drängte sich an Hawk, kaum dass der junge Mann ihrer Aufforderung nachgekommen war.
Hawk sagte kein Wort, streckte nur die Hand aus, um sie zu stützen. Von heißer Eifersucht erfüllt, spießte er den Soldaten mit seinem Blick förmlich auf und neigte den Kopf zu ihrem
Ohr. „Liebling, soll ich nach der Kutsche schicken?“ murmelte er – laut genug, dass ihn die anderen verstehen konnten.
Mick – wie sie ihn genannt hatte – starrte Hawk verwirrt und mit aufkeimendem Ärger an. Er machte schon den Mund auf, um Hawk zum Teufel zu schicken, klappte ihn jedoch wieder zu, als Bel den Fremden in stummer Dankbarkeit anblickte und antwortete: „Ja, Euer Gnaden, ich bitte darum.“
Hawk nickte ihr aufmunternd zu und drehte sich dann um, um seinem Lakaien einen leisen Befehl zu erteilen. Die Kutsche stand nur ein Stück den Weg hinunter. Hawk sah Belinda unsi- cher an, dachte dann aber, dass sie vermutlich allein mit ihrem Freund sprechen wollte – falls der Kerl ihr Freund war. Es fiel ihm nicht leicht, die paar Schritte zu gehen, aber er war schließ- lieh ein Gentleman.
„Euer Gnaden?“ hörte er Mick zornig sagen. „Wer zum Teufel soll das sein?“
Die Hände in den Taschen, schaute Hawk sich noch einmal um und sah, wie es dem jungen Offizier allmählich dämmerte. Sein jungenhaftes Gesicht wurde blass, während er ihr kostba- res, auffälliges Kleid musterte.
„Was ist passiert, Bel?“ fragte er panisch.
Belinda hob das Kinn. Wieder einmal erinnerte sie an eine Aphrodite aus Marmor, schön und unzugänglich. „Wo warst du, Mick?“
„Hier und dort – Bel, wer ist das? “
„Das ist der Duke of Hawkscliffe, mein Gönner. Guten Tag, Captain Braden“, erwiderte sie kühl.
Hawk kehrte um, da er befürchtete, es könne Schwierigkeiten geben, doch der junge Mann stand nur völlig fassungslos da. Anscheinend sollte es doch nicht zum Streit kommen. Nachdem sie Hawks Namen gehört hatten, stahlen sich Micks Freunde ein Stück davon und blickten angelegentlich in ein nahes Schau- fenster.
In diesem Augenblick hielt die Kutsche mit klingelndem Zaumzeug neben ihnen an. Der Pferdeknecht sprang herunter, um ihnen den Schlag aufzuhalten. Hawk bot ihr die Hand. Sie ergriff sie, schaute ihn aber nicht an.
„Bel, so warte doch ...“ Mick tat einen Schritt auf sie zu, doch Hawk versperrte ihm den Weg. In seinem stählernen Blick lag eine stumme Warnung.
Als der junge Mann zurückwich, viel zu verwirrt, um Einwän-
de zu erheben, stieg Hawk in die Kutsche und setzte sich neben Belinda. Im nächsten Augenblick waren sie unterwegs.
Bel starrte blicklos aus dem Fenster, anscheinend blind für die Welt, die draußen an ihr vorbeizog. Ihr Gesicht war eine starre Maske, und er wusste, dass sie sich ganz in sich zurückgezogen hatte – und ihn aussperrte. Unbehaglich saß er neben ihr; er wusste nicht, was er jetzt tun sollte.
Als sie Knight House erreichten, stieg sie rasch aus, murmel- te eine Entschuldigung und flüchtete in ihr Zimmer. Unsicher schaute er ihr nach.
Sollte er sie in Ruhe lassen, bis sie sich wieder gefasst hatte? Sie vor übereifrigen Bewunderern zu schützen war eine Sa- che, aber er war sich nicht ganz schlüssig, ob er ihr auch eine Schulter zum Ausweinen bieten wollte. Er war Gefühlsausbrü- che einfach nicht gewohnt, aber es kam ihm verdammt kaltblü- tig vor, so zu tun, als wäre alles
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