Gaelen Foley - Knight 01
käme und mit ihm das Ende des Arrangements, das sie mit Robert getroffen hatte. Bis dahin wollte sie von ihm eine Einladung, unbegrenzt als seine Geliebte bei ihm zu bleiben. Es wäre in ihrer überaus unperfekten Welt die perfekte Lö- sung – vielleicht sogar die einzige Lösung. Ehrbar konnte sie nun nicht mehr werden, aber genauso wenig behagte ihr die Aussicht, sich danach wieder auf den Markt zu begeben. Wie hoch stünden denn ihre Chancen, dass sie einen Gönner fand, dem sie nur halb so viel vertrauen konnte wie ihrem steifen, ehrbaren Herzog? Außerdem wagte sie fast zu glauben, dass sie Robert glücklich machen konnte.
Sie hatte gehört, dass er neulich in einer Sitzung des Ober- hauses völlig grundlos gelacht hatte. Danach hatte er zum Amüsement seiner Kollegen falsch abgestimmt und musste vor dem Lordkanzler widerrufen.
Letzte Woche war Mick Braden zu Besuch gekommen, doch Robert hatte ihn nicht hereingelassen – was in ihr zu ihrer ei- genen Überraschung kein Gefühl der Bevormundung, sondern der Sicherheit hervorrief.
Ihre Intimität in der Bibliothek hatte sich nicht wiederholt, doch ansonsten hatte sich alles zwischen ihnen gewandelt. Langsam, aber sicher ließen sie beide die Masken fallen, gaben die Verstellung auf und wurden Freunde.
Darüber hinaus hatte sie nun ungefähr siebenhundertfünfzig Pfund auf der Bank, und dreitausend brauchte sie, um ihren Vater auszulösen.
Die Pariser Schneiderin riss sie aus ihren Gedanken, und Bel kehrte in die Gegenwart zurück. Die Dame stellte gerade eine Frage: „Wie geht es Madame Julia? So schön! Ich habe sie lan- ge nicht gesehen.“
„Schon wieder guter Hoffnung“, erwiderte Bel vertraulich. Die Schneiderin riss den Mund auf. „Mon Dieu! Das fünfte?“ „Das sechste – das hier ist von Colonel Napier. “
Die Schneiderin nuschelte, eine Stecknadel im Mund: „Sei- en Sie bloß vorsichtig, Mademoiselle.“
„Darauf können Sie sich verlassen“, versprach Bel. Harriet- te hatte ihr genau erklärt, wie sie mit Hilfe eines Schwämm- chens und dem intelligenten Gebrauch eines Kalenders eine Schwangerschaft verhindern könne.
Die Methode war auf dem Kontinent entwickelt worden und sollte dem Vergnügen beider Parteien angeblich nicht im Wege
stehen. In England empfahlen kluge Hebammen diese Verhü- tungsmethode sogar verheirateten Damen, wenn diese von zar- ter Gesundheit waren und eine Schwangerschaft nicht ratsam war.
„Les six enfants“, murmelte die Französin vor sich hin. „Wie sie ihre Figur behält, je ne sais pas.“
Als die Schneiderin alles abgesteckt hatte, ging Bel ins Um- kleidezimmer, streifte die Robe vorsichtig ab und zog ihr flot- tes, militärisch anmutendes Nachmittagskleid an. Über einem Unterkleid aus weißem Musselin trug sie nun einen dunkel- blauen Spenzer mit engen Ärmeln, Messingknöpfen und golde- nen Epauletten.
Das Ballkleid würde sicher sehr teuer werden, doch Robert hatte vor kurzem weitere zweihundertfünfzig Pfund auf ihr Konto eingezahlt – Gott sei Dank wollte er ihr damit nicht die Nacht in der Bibliothek vergelten, es handelte sich einfach um das Nadelgeld, das Teil ihrer Vereinbarung war.
Während sie zu ihrem eleganten schwarzen vis-à-vis ging, dachte sie voll Stolz an die hundert Pfund, die sie zu einem Zinssatz von fünf Prozent in Staatsanleihen angelegt hatte. Und sie vergaß auch nicht, ihrem Gönner ihre Dankbarkeit zu zeigen, indem sie ihm ab und zu ein kleines Geschenk kaufte. Bevor sie die Schneiderin aufsuchte, hatte sie für ihn eine ele- gante silberne Jagdflasche erworben, auf die sie den Silber- schmied eine ironische und gewagte Widmung gravieren ließ:
Für Robert mit einem Kuss:
Damit er sich für die nächsten Partien Vingt-et-un schon mal die Lippen netzen kann.
Von seiner glücklich eroberten Belinda, Juni 1814
Dieses kleine Geschenk wird sehr hübsch zu dem geschmug- gelten Brandy passen, den sein Piratenbruder Lord Jack so- eben geschickt hat, dachte sie, als der junge Pferdeknecht Wil- liam den Wagenschlag für sie öffnete. Sie reichte ihm das Päck- chen mit den Dingen, die sie heute gekauft hatte, und bat ihn, es zu verstauen.
Zufällig schaute sie auf die andere Straßenseite und ent- deckte Dolph Breckinridge, der dort in seinem Phaeton saß, ei- ne Zigarre rauchte und zu ihr herüberstarrte. Weder reagierte
er auf ihren Blick, indem er sich an den Hut tippte, noch be- glückte er sie mit seinem unangenehmen Lächeln; er starrte sie einfach bloß an.
Weitere Kostenlose Bücher