Gaelen Foley - Knight 01
Ihr lief es kalt den Rücken hinunter; sie kam sich wie ein gehetztes Stück Wild vor, denn offensichtlich hat- te er die ganze Zeit dort draußen gesessen und sie durch das Fenster des Modeateliers beobachtet.
„Am besten fahren wir nach Hause, Miss“, sagte William em- pört, als er Dolph entdeckte, doch Bel schüttelte eisern den Kopf. Wenn sie vor dem Gefängnisaufseher nicht davongelau- fen war, brauchte sie vor Dolph Breckinridge auch nicht zu fliehen. Sie weigerte sich, einfach nach Knight House zurück- zueilen. Sie hatte noch einiges zu erledigen.
„Nein, William. Bringen Sie mich bitte zu Harriette Wilson.“ Sie musste Harriette noch ihren Anteil an Roberts letzter Zahlung überweisen. Hoffentlich hatte ihre Lehrmeisterin im Moment keinen Kunden bei sich, denn sie hatten sich schon ei- ne ganze Weile nicht mehr gesprochen.
Dolph blieb sitzen, wo er war, und blickte ihr nach, als ihr Wagen anfuhr. Er machte keinerlei Anstalten, ihr zu folgen. Sie seufzte erleichtert und drehte sich wieder um. Sie war ziemlich erschöpft, weil sie abends so viel ausging. Sie hätte ein wenig Erholung von all dem gesellschaftlichen Trubel gebraucht, doch heute Abend wurden sie bei einem Empfang zu Ehren des preußischen Generals Blücher erwartet. Sie tat ihre Müdigkeit mit einem Schulterzucken ab; es war immer aufregend, mit Robert irgendwo hinzugehen.
Sie schaute aus dem Fenster und sah zu, wie der muntere schwarze Wallach sie durch die quirligen Straßen Londons zog.
Dann blickte sie sich um und entdeckte Dolph, der einen Karren und einen Landauer vorgelassen hatte und ihr in eini- gem Abstand folgte. Entnervt drehte sie sich wieder um. Schließlich hielt sie vor Harriettes Haus. Dolph blieb ein Stück weiter unten stehen und beobachtete sie. William sprang vom Kutschbock und ging an die Tür, um sie anzumelden. Als Bel einen der kräftigen Lakaien an der Tür sah, fühlte sie sich si- cher genug, ihren Wagen zu verlassen. Als sie an der Tür an- langte, kam Harriette schon herbei, um sie zu begrüßen.
Bel wies sie nicht auf Dolph hin, weil es ihr peinlich war, der Besessenheit eines labilen Mannes zum Opfer gefallen zu sein. Stattdessen rang sie sich ein strahlendes Lächeln ab, als Har-
riette in der Tür des Hauses erschien. Die kleine Königin der Halbweltdamen keuchte auf, als sie Bels Kutsche und die Pfer- de erblickte, und bekundete lautstark ihren Neid.
„Hast du sie noch gar nicht gesehen?“ fragte Bel lächelnd. „Ich dachte, ich hätte sie dir schon gezeigt. Oh, ich bin sehr fein geworden, stimmt’s?“
„La grande courtesane!“ rief Harriette mit silberhellem La- chen aus und schloss sie in die Arme. „Ach, du und deine Kut- sche, ihr seid so großartig, dass ich es kaum ertragen kann. Komm rein und trink ein Tässchen Tee mit mir. “
Nur zu gern ließ Bel sich von Harriette ins Haus ziehen.
„Ach, meine kleine protegée, du hast London im Sturm er- obert“, meinte Harriette kurz darauf, als sie es sich gemütlich gemacht hatten, jede mit einem Teegedeck auf dem Schoß. Es war derselbe Raum, in dem Robert ihr vor Wochen seinen küh- nen Antrag gemacht hatte. „Ausgerechnet Hawkscliffe! Wenn ich in deinem Alter wäre, müsste ich dich hassen. So aber emp- finde ich fast mütterlichen Stolz für deinen Triumph – Hawks- cliffe und La Belle Hamilton! Die Leute reden von nichts an- derem mehr. Also, dann erzähl mal“, sagte Harriette, „wie ist dein Herzog denn so?“
„Er ist ein wunderbarer Mensch. Und ich glaube, dass er jetzt sehr viel besserer Stimmung ist als ...“
„Nein, du Dummkopf, ich meine doch, wie er im Bett ist!“
„Harrie!“ Bel lachte und lief dunkelrot an, denn nicht einmal Harriette wusste um die wahre Natur ihrer Liaison.
„Ein Moralapostel wie er dürfte entweder stinklangweilig oder vollkommen pervers sein. Also, wie steht’s?“
Völlig durcheinander machte Bel den Mund auf, brachte aber keinen Ton heraus.
„Ach, komm schon, jetzt erzähl mal, Bel. Du weißt doch, dass ich es keiner Menschenseele verraten werde.“
„Oh doch! Du wirst es Argyll und Hertford berichten – und als Nächstes zerreißt sich dann das gesamte Oberhaus den Mund über Hawks ... Meisterleistungen. “
Harriette lachte fröhlich und lehnte sich zurück. „Nun, viel- leicht ist er ja wirklich rundum vollkommen.“ Sie seufzte. „Ach Bel, wie schön für dich – er ist reich, mächtig, verteufelt attraktiv, großzügig und dann auch noch ein guter Liebhaber. Ich
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