Gaelen Foley - Knight 02
die Mu- sik aufhörte. Ihr Herz schlug wie wild, und ihr zitterten die Knie, als sie sich durch die Menge schob. Ich muss sofort hier raus. Sie konnte ihren drei Verehrern jetzt nicht entgegentre- ten, sie brauchte einen Augenblick Stille, um sich wieder zu fassen. Was hatte sie nur getan? Was hatte er ihr angetan? Ach, am liebsten hätte sie den Schuft erdrosselt.
Sie eilte an der anderen Seite des Ballsaals hinaus auf die Veranda. Die Luft war kühl, aber Alice lief bis zur steiner- nen Balustrade, entschlossen, nicht eher wieder hineinzuge- hen, bis sie einen klaren Kopf bekommen hatte. Schlimmer als ihr schlechtes Gewissen, schlimmer als Lord Damiens verdächtige Aufmerksamkeit war das Wissen, dass Lucien sich heute Abend hier aufhielt und nicht die geringste Ab- sicht hatte, sie zu begrüßen. Es war wirklich aus und vorbei. Der Schmerz überrollte sie wie eine Welle, und sie schloss die Augen. Als sie hinter sich die Terrassentüren knarren hörte, hob sie flehend den Blick zum Himmel.
„Alice!“ rief Roger, sich in ihren stillen Kummer drängend.
„Was um alles in der Welt machen Sie da? Kommen Sie so- fort wieder herein! Sie waren krank ...“
Sie drehte sich um und starrte ihn an. Der Wind fuhr durch ihre dünnen weißen Röcke und zauste ihr das Haar. Abrupt hielt er inne und musterte sie ein wenig dreist. „Mein Gott, wie schön Sie sind.“
Sie verdrehte die Augen und wandte sich ab. Die Hände auf die kalte Balustrade gestützt, hob sie das Kinn und blickte suchend zum Himmel auf, als stünde die Antwort auf ihre Probleme in den Sternen geschrieben.
„Weswegen wollten Sie mich sprechen?“ fragte sie müde.
„Alice ... sind Sie sicher, dass Sie Influenza hatten?“
Sie fuhr zu ihm herum; das Herz schlug ihr bis zum Halse. „Warum möchten Sie das wissen? Was wollen Sie damit an- deuten?“
Er runzelte die Stirn, als er ihren bissigen Tonfall ver- nahm. „Sie wirken so anders. Vielleicht war es etwas Ernst- hafteres, eine Hirnhautentzündung. Waren Sie bei einem Londoner Arzt? Ich mache mir Sorgen um Sie. Ihnen dürfte doch nicht entgangen sein, was ich für Sie empfinde.“
Verwirrt betrachtete sie ihn und stöhnte dann innerlich auf, als ihr klar wurde, was er von ihr wollte. Der Mann hat- te schließlich schon drei Mal um ihre Hand angehalten.
Zweifellos interpretierte er ihren verzweifelten Blick falsch, denn er nahm ihre Hände sanft in die seinen. „Als ich Sie heute Abend hereinkommen sah, so schön, da wusste ich, dass ich nicht länger warten kann. Heiraten Sie mich, oder sagen Sie mir stattdessen, dass es unmöglich ist. Der jetzige Zustand ist für mich die reinste Qual.“
„Aber mein guter Mann, es macht jungen Damen große Freude, derartige Qualen zu bereiten“, ertönte plötzlich eine tiefe, samtene Stimme aus der Dunkelheit.
Alice hätte vor Überraschung beinahe aufgeschrien. Sie entriss Roger die Hand, als Lucien lässig aus den Schatten geschlendert kam. Sein Gang war ein wenig unsicher, und in der Hand hatte er eine Flasche Burgunder, aus der er ab und zu einen Schluck nahm. Sein Krawattentuch saß schief, sein Haar war zerzaust – zu ihrem größten Erstaunen wirkte er ziemlich betrunken.
„Was fällt Ihnen eigentlich ein, Sir!“ meinte Roger empört. Seine glatten Wangen waren rot angelaufen. „Bitte entfer-
nen Sie sich!“
„Das könnte Ihnen so passen, aber ich bin euer Schutzen- gel“, sagte er und verbeugte sich wankend.
Alice schaute ihn aus schmalen Augen finster an, doch ihr Herz schlug trotzdem vor Erregung, nur weil er bei ihr war.
„Sind Sie ganz sicher, dass Sie für die Ehe bereit sind?“ fragte er Roger, seinen ganzen betörenden Charme aufbie- tend. „Und sind Sie sicher, dass Sie die Dame wirklich ken- nen?“
„Sie sind ja betrunken, Sie Flegel!“ erwiderte Roger, der immer röter wurde. „Sie sind der andere Knight-Zwilling, stimmt’s?“
„Wie haben Sie das bloß erraten?“ meinte Lucien mit fre- chem Lächeln.
„Mir ist gleichgültig, wer Sie sind – wenn Sie nicht auf der Stelle verschwinden, fordere ich Sie zum Duell!“
„Das werden Sie nicht, Roger!“ rief Alice entsetzt.
„Zweifeln Sie etwa an meinen Fähigkeiten?“ erkundigte sich Roger indigniert.
„Natürlich nicht. Aber Sie ... Sie können sich mit diesem Mann nicht duellieren. Er ist offensichtlich betrunken. Das wäre unehrenhaft.“
„Und die Damen mögen ehrenhafte Männer ja so gern“, spottete Lucien.
Roger schnaubte und nahm sie beim
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