Gaelen Foley - Knight 02
Arbeit und war sich Luciens sehnsüchtiger Blicke dabei gar nicht be- wusst.
Dann schaute sie auf und bemerkte seine Verzweiflung, bevor er sie noch vor ihr verbergen konnte. Lange betrachte- ten sie einander.
„Alice?“ wisperte er schließlich.
Ihre Lippen zitterten. „Ja?“
„Ich glaube ... ich glaube, ich muss dir etwas erzählen.“ Bei der Aussicht auf das, was ihm nun bevorstand, wurde ihm übel, aber er wusste, dass er sie verlieren würde, wenn er ihr jetzt nicht die volle Wahrheit beichtete.
„Was denn?“
Er senkte den Kopf, ging dann gemessenen Schrittes zur Tür und machte sie zu. Da er es nicht ertrug, sie anzusehen, schloss er die Augen und zwang sich, es durchzustehen. „Mir wäre die Angelegenheit nicht wichtiger als du gewesen, wenn ich nicht einen sehr guten Grund dafür gehabt hätte.“ Er schluckte und holte tief Atem. Sein Herz hämmerte. „Letzten Frühling wurde ich von diesem Mann und seinen Verbündeten in Frankreich aufgegriffen. Sie hielten mich fünf Wochen gefangen, bevor ich entkommen konnte. Unter der Folter ...“
„Folter?“ unterbrach sie ihn scharf.
Er zwang sich, ihrem entsetzten Blick zu begegnen. „Na- türlich“, sagte er weitaus gelassener, als er sich fühlte. „Je- der Agent weiß, dass er bei einer Gefangennahme Folter und Tod riskiert.“
Bleich vor Schreck, schaute sie auf ihre Zeichnung hinun- ter. „Dieser Mann hat dich gefoltert?“
„Er hat nur seine Arbeit getan. Und er hat sie gut gemacht. Ich konnte ihm nicht standhalten.“ Er schüttelte den Kopf. „Am Ende habe ich den Namen eines Verbindungsmannes preisgegeben, Patrick Kelley. Er war ein wunderbarer Mann, der mich sehr gefördert hat. Aber ich konnte einfach nicht mehr. Ich wusste nicht mal mehr, was ich sagte. Als ich wie- der bei Sinnen war, war es zu spät. Bardou war bereits fort. Er stöberte Kelley auf und tötete ihn auf Grund der Informa- tionen, die ich ihm gegeben hatte.“ Er ballte die Hände zu Fäusten und erschauerte. „Ich war schwach. Ich bin für den Tod meines Freundes genauso verantwortlich, als wenn ich ihm eigenhändig die Kehle durchgeschnitten hätte. Und aus diesem Grund muss ich Bardou persönlich umbringen.“
„O Lucien“, flüsterte sie.
„Ich konnte es dir einfach nicht erzählen. Du solltest nicht erfahren, welche Angst ich hatte“, meinte er kaum hörbar. Sie legte den Skizzenblock beiseite und streckte ihm die Arme entgegen. „Komm her.“
Auf zitternden Beinen durchquerte er den Raum und knie- te sich vor ihren Stuhl. Voll Angst blickte er ihr in die Augen, versuchte ihre Reaktion zu erkennen, wollte unbedingt wis- sen, ob sie ihn immer noch achten konnte, nachdem er seine Schwäche, den schrecklichen Verrat an seinem Freund ein- gestanden hatte.
Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie schüttelte den Kopf und zog ihn in die Arme, streichelte ihm das Haar, küsste ihm das Gesicht, überwältigte ihn mit ihrer Zärtlichkeit. Der Schmerz, den er so lang in sich aufgestaut und verborgen hatte, begann sich zu lösen, nach draußen zu dringen.
Seine Augen brannten, als er den Kopf in ihren Schoß leg- te. Sie beugte sich über ihn und hielt ihn mit zärtlicher Kraft fest. Er verbarg sein Gesicht in ihrem langen rotgoldenen Haar, das über ihn fiel.
„Es ist schon gut“, hauchte sie und streichelte ihm den Rü- cken. „Berichte mir, was geschehen ist.“
Die Kehle war ihm so zugeschnürt, dass er kaum atmen konnte, aber er zwang sich, ihr zu gehorchen. Das hatte sie einfach verdient. „Ich hab es nie jemandem erzählt. Damien nicht, nicht mal Castlereagh. Bardou war der Leiter der Ope-
ration. Sie haben mich in Paris erwischt, als sie mich mit ei- nem jungen Mädchen in ein Gässchen lockten. Ich hörte sie kreischen und dachte, jemand würde angegriffen. Als ich in das Gässchen ging, um Hilfe zu leisten, haben sie mir eins über den Schädel gegeben und mir die Augen verbunden. Dann haben sie mich in eine Kutsche geworfen und sind da- vongefahren. Ich weiß nicht, wo genau es passierte.“ Er hielt inne, zwang sich, ihr die ganze hässliche Wahrheit anzuver- trauen. Er zitterte, konnte sich kaum mehr beherrschen, so drohte ihn die Vergangenheit zu überwältigen. Er rang mit sich, um sich von ihr zu befreien.
„Die nächsten fünf Wochen war ich in einem kalten, feuch- ten Keller eingesperrt, ohne Licht, und bekam gerade genug zu essen und zu trinken, um am Leben zu bleiben. Der Durst war furchtbar. Sie schlugen mich. Gaben mir nichts zu
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