Gaelen Foley - Knight 02
essen. Hielten mich fest und rissen mir zwei Zähne aus, als ich nicht reden wollte. Sie haben gedroht, mich zu vergewalti- gen, mich zu kastrieren, haben mir mit allem gedroht, was man sich denken kann. Sie wollten mich zum Verräter ma- chen, aber ich hielt ihnen stand.“ Er atmete tief ein, während Alice jede Nuance der Qual wahrnahm, die über sein Gesicht huschte. „Ich glaube, hinterher war ich eine Weile weggetre- ten“, rang er sich ab. „Ich weiß nicht mehr viel von den Wo- chen, die auf meine Flucht folgten. Ich bin in einem spani- schen Kloster jenseits der Grenze gelandet, wo ich dann ver- sorgt wurde. Es gab dort ein paar guerilleros unter einem Priester namens Padre Garcia. Das Kloster war ihr Haupt- quartier; seit den Tagen der Mauren war es befestigt. Garcia und seine Männer brachten mich zu Wellingtons Hauptquar- tier.“
„Wie konntest du denn entfliehen?“
„Ich habe schließlich einen getötet, als er nach mir sehen wollte. Ich habe seine Waffe genommen und mich nach drau- ßen durchgekämpft. Dabei habe ich sie alle umgebracht“, berichtete er grimmig, „alle bis auf Bardou. Der war schon fort, um Patrick Kelley zu jagen.“
Eine Weile schwiegen sie beide.
„O Alice“, sagte er schließlich, seelisch ziemlich am Ende. „Ich habe dem Krieg alles geopfert, was ich zu geben hatte, sogar meinen guten Ruf, was Damien nie getan hätte. Ich wusste, worauf ich mich einließ, aber jeder hält mich für ei-
nen Schuft, und das schmerzt mich sehr.“
Voll Mitgefühl berührte sie sein Gesicht. Er schmiegte es an ihre Hand, brachte es aber nicht über sich, sie anzuschau- en.
Abrupt, ohne Vorwarnung, quollen die Worte aus ihm her- vor, sturzbachartig. „Dabei wollte ich doch gar nicht in den Krieg ziehen! Ich hätte Arzt werden sollen. Ich wollte die Gabe nutzen, die Gott mir gegeben hatte, die Gabe, andere zu heilen, und nicht zu töten, aber mein Bruder war mir wichtiger. Immer war es mein Bruder. Ich habe meine Zu- kunft für ihn geopfert. Ich habe mich seinetwegen zum Schuft machen lassen, weil er der einzige Freund war, den ich je hatte, und nun spricht er nicht einmal mehr mit mir! Ich kann es nicht ertragen, wenn er mir dich auch noch nimmt. Du hast ja keine Ahnung, wie einsam ich bin. Wenn du mich nicht liebst ...“ Er verstummte, senkte den Kopf, hasste sich selbst. Er hatte das Gefühl, sich aufzulösen, war nicht eine Sekunde länger in der Lage, vor dem Abgrund in ihm die Augen zu verschließen.
Verzweifelt suchte er nach seiner eisernen Selbstkontrolle, doch sie war ihm abhanden gekommen. Lieber Gott, und wenn sie Damiens Antrag angenommen hatte, dann sollte es eben so sein. Er kämpfte mit sich, am Rand der Verzweif- lung. Fang nicht an, vor ihr zu weinen. Weine nicht vor Ali- ce. Um Himmels willen, einmal im Leben wirst du es ja wohl schaffen, kein Schwächling zu sein ...
Doch als sie sanft sein Kinn anhob, brannten Tränen der Qual in seinen Augen. „Es tut mir Leid“, würgte er hervor. „Es tut mir Leid, dass ich ein solcher Schwächling bin. Es tut mir Leid, dass ich ein Versager bin. Es tut mir Leid, dass ich nicht so gut bin wie ...“
„Still. Wage ja nicht, es auszusprechen“, warnte sie ihn. Auch in ihren Augen schimmerten in Tränen. Energisch schüttelte sie den Kopf. „Es ist nicht wahr, kein einziges Wort.“
Flehend blickte Lucien zu ihr auf. „Ich weiß, dass er heute hier war und dich um deine Hand gebeten hat. Was hast du ihm geantwortet, Alice? Bitte sag es mir.“
„Was glaubst du denn?“ fragte sie ihn mit sanftem Vor- wurf.
Er schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung.“
„Lucien.“ Sie schloss die Finger um seine zitternden Hän- de und schaute ihm tief in die Augen. „Dein Bruder ist ein guter Mann, aber er ist nicht du. Ich habe abgelehnt. Ich könnte niemanden lieben außer dir, und das habe ich ihm mitgeteilt.“
„Wirklich?“ presste er hervor, überwältigt von der Ernst- haftigkeit in ihrem Blick.
Als sie nur nickte, überlief ihn ein Schauer, und Lucien ließ sich langsam wieder in ihren Schoß sinken. Er klammerte sich an sie, so unwürdig er ihrer auch war, und dann brach er vollends zusammen. Er bedeckte ihre schönen Hände mit Küssen, mit seinen Tränen. „Hilf mir“, wisperte er, „meine Geliebte, meine schöne Freundin. Du bist das Einzige, was sich in meinem Leben wirklich zum Guten gewendet hat.“ Sie hielt ihn lange umschlungen, küsste ihn aufs Ohr, als sie sich über ihn beugte, und streichelte
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