Gaelen Foley - Knight 02
indem er sich in Gedanken an die jun- ge, wunderbare Alice Montague verlor. Ihr schüchternes, skeptisches Lächeln, das sie so widerwillig verschenkte und das deswegen umso kostbarer war, bezauberte ihn auch jetzt. Sie hatte eine Einfachheit, eine Ganzheit an sich, die ihn irgendwie beruhigte. Endlich begann er sich doch noch zu entspannen, als er sich daran erinnerte, wie er sie berührt hatte, wie seidig sich ihre Schenkel angefühlt hatten, wie weich ihre Brüste. Wie sie reagiert hatte, als er ihre warmen, jungfräulichen Lippen gekostet hatte. So unschuldig, dach- te er. Es befriedigte ihn zutiefst, dass er sie als Erster be- rührt hatte, dass er der Erste war, der sie geküsst hatte.
Wie er so dalag, kam ihm plötzlich ein teuflischer Einfall, der von Sekunde zu Sekunde deutlichere Gestalt annahm. Seine Augen weiteten sich, und dann setzte er sich abrupt auf. Bei der Vorstellung schlug ihm das Herz bis zum Halse. Nein. Es war falsch. Eine schlimme, empörende Idee – aber schließlich wäre es nicht seine erste. Konnte man einer Festtafel den Rücken kehren, wenn man am Verhungern war?
Bei Alice Montague bekäme er niemals eine zweite Chan- ce. Das wusste er, genau wie er wusste, dass eine Frau wie sie sein Leben verändern könnte. Wenn er ihr in London je über den Weg lief, würde sie ihn wie Luft behandeln – wie man es von einer wohlerzogenen jungen Dame erwarten würde. Mein Gott, schließlich kannte sie ihn nur als „Dra- co“, als Meister eines heidnischen Kultes. Und wenn er ver- suchte, ihr auf ganz ehrbare Weise einen Besuch abzustat- ten, würde Caro, die eifersüchtige Anstandsdame, schon da- für sorgen, dass er nicht vorgelassen wurde. Schlimmer noch, in London würde Alice früher oder später auch Da- mien begegnen, und neben ihm würde er nur noch schlim- mer wirken. Das könnte er nicht ertragen.
Leicht benommen von der Wucht, mit der ihn der empö- rende Einfall getroffen hatte, sank er auf die Matratze zu- rück und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Sollte er den Versuch wirklich wagen?
Sie wäre zornig. Es wäre ihr nicht recht, aber schließlich war sie ja selbst schuld, argumentierte sein boshaftes Ich. Sie hatte sich freiwillig auf Terrain begeben, auf dem sie nichts zu suchen hatte. Sie war in sein Haus, in sein Leben geplatzt, und nun würde sie nicht eher freikommen, bis dass er befriedigt war. Er wusste, dass sie in aller Frühe aufbre- chen wollte, aber er würde sie einfach nicht gehen lassen. Vielleicht hatte die seltsame Verbundenheit, die er spürte, überhaupt nichts zu heißen, vielleicht aber war sie die Ant- wort auf all seine Probleme.
Nachdenklich wandte er den Kopf und sah hinaus in das ferne Leuchten der Morgendämmerung. Ihm war, als hätte der flammende Sonnenaufgang dieselbe Farbe wie ihr Haar.
4. KAPITEL
Alice schlief wie unter Drogen – lang, tief und traumlos. Selbst als sie zehn Stunden später erwachte, blieb sie fried- lich in dem nach Lavendel duftenden Bett liegen, während sie allmählich zu sich kam und die Morgensonne durch ihre Wimpern schien. Als sie die Augen öffnete, hatte sie einen völlig fremden Raum vor sich. Sie erschrak. Einen Augen- blick hatte sie vergessen, wo sie sich befand – und dann kehrte die Erinnerung zurück. Mit lautem Stöhnen vergrub sie das Gesicht im Kissen.
Luden. Er fiel ihr als Allererstes wieder ein, doch sie schob den Gedanken an den silberäugigen Teufel entschlossen bei- seite. Sie wollte nie wieder an ihn, an die letzte Nacht und die Ausschweifungen in der Grotte denken. Sie würde umge- hend heim nach Glenwood Park flüchten und dann all diese Dinge rasch vergessen, aber auf den heutigen Tag freute sie sich weiß Gott nicht. Ihr schauderte bei der Aussicht, die nächsten fünfzehn Stunden mit ihrer boshaften Schwägerin auf engstem Raum zu verbringen.
Draußen vor dem Fenster ertönte ein lautes Gerumpel. Sie setzte sich auf, glitt von dem hohen Bett und spähte durch ei- ne Ritze im Vorhang hinaus. Ein paar Kutschen ratterten ge- rade in höchster Geschwindigkeit davon.
Erschrocken fragte sie sich, wie spät es wohl sein mochte. Wenn sich schon die Wüstlinge aus der Grotte auf den Weg machten, musste es ja bereits heller Vormittag sein. Die Uhr auf dem Kaminsims bestätigte diesen Verdacht. Schon elf Uhr! Nun waren sie, Caro und die Dienstboten zu einem späten Aufbruch gezwungen. Den letzten Abschnitt der Reise müssten sie wieder im Dunkeln zurücklegen, aber zu- mindest war ihnen der Heimweg
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