Gaelen Foley - Knight 03
man noch eine Menge Arbeit in das Haus stecken. Zäune müssen repariert werden, und im Frühling wollen wir da …“, er wies auf die Felder, „... drü- ben Gerste aussäen, dort hinten Hafer und Weizen.“ Wenn es je wieder Frühling wurde.
„Der Herr schenke mir Geduld. Nun stell dich nicht ab- sichtlich blöd, ich bitte dich. Ich habe dich nicht nach dem Haus gefragt. Ich will wissen, wie es dir geht. Ist es dir noch mal passiert, dass ...“
„Nein“, fiel er ihm mit warnendem Blick ins Wort. Er wollte nicht an das schlimme Delirium – oder den Anfall von geistiger Umnachtung oder was immer es auch gewe- sen war – am Guy-Fawkes-Abend erinnert werden. Schon der bloße Gedanke daran war ihm verhasst. Der Lärm und das Feuerwerk an jenem Abend hatten ihn irgendwie in die Irre geführt, er hatte sich in den Krieg zurückversetzt ge-
fühlt. Minutenlang hatte er jeglichen Kontakt zur Realität verloren, was schrecklich war bei einem Mann, der zum Töten ausgebildet war.
Als er daran dachte, wie leicht er jemand anderem etwas hätte antun können, gefror ihm das Blut in den Adern. Seit jener Nacht hatte er die Einsamkeit gesucht, und er hatte nicht vor, sich in Gesellschaft zu zeigen, ehe er irgendwie geheilt war und keine Bedrohung mehr darstellte für jene, für deren Schutz er seine Unschuld geopfert hatte, und wieder der unerbittliche Held war, für den die Welt ihn hielt.
Er merkte, wie Lucien ihn auf seine aufmerksame Art musterte. „Hast du immer noch Albträume?“
Damien schaute ihn nur an.
Er wollte es nicht zugeben, aber die schrecklichen Träu- me voll Blut und Zerstörung suchten ihn jetzt sogar noch häufiger heim, als könnte sich sein wirres Hirn gar nicht schnell genug von all den vergifteten Erinnerungen tren- nen. Der Zorn in ihm war wie ein froststarrer Fluss, Da- mien wusste zwar, dass er da war, aber irgendwie konnte er ihn ... nicht spüren. Er spürte überhaupt nicht viel. Sechs Jahre in der Schlacht – wo man Angst, Schrecken, Leid einfach ignorieren musste – hinterließen eben solche Spu- ren.
„Du solltest um diese Jahreszeit wirklich nicht allein sein“, meinte Lucien sanft.
„Doch, und du weißt auch, warum.“ Er wich dem allzu klarsichtigen Blick seines Bruders aus, indem er das Holz ein wenig ordentlicher zusammenschob und sich dann ein paar Rindenstücke von der Lederhose klopfte.
„Zumindest kommst du über Weihnachten zu uns nach London, oder?“
Er nickte entschlossen. „Ja, ich werde da sein.“ Solange es sich der allzu leutselige Prinzregent verkneifen konnte, wieder ein Feuerwerk in der Stadt zu veranstalten, sah Da- mien keinen Grund zur Sorge. Weihnachten war ein stilles Fest, er machte sich eher Gedanken wegen Silvester, das ausgelassen und unter großem Lärm, eventuell gar mit Feuerwerk gefeiert wurde. Doch bis dahin wäre er längst wieder in Bayley House. „Möchtest du etwas zu trinken?“ erkundigte er sich etwas verspätet.
„Nein, danke.“ Lucien steckte die Hände in die Taschen seines Mantels, wandte den Blick ab und sah angelegent- lich zum Horizont. Er schien zu zögern. „Eigentlich bin ich ... aus einem anderen Grund hier, Damien. Es ist nämlich so ... ach, verdammt“, flüsterte er und schloss die Augen. „Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll.“
Leicht erschrocken ob des bekümmerten Tones, schaute Damien ihn an. Leise Furcht überlief ihn, als er das blei- che ernste Gesicht seines Bruders bemerkte. „Himmel, Lucien, was ist denn?“ Damien überließ den Holzstoß sich selbst und ging zu seinem Bruder. „Was ist passiert? Die Familie ...?“
„Nein, uns geht es allen gut“, erwiderte er rasch, senkte dann den Kopf und stieß mühsam hervor: „Ich war Anfang der Woche in London, und da habe ich es erfahren. Die Stadt spricht von nichts anderem. Es tut mir so verdammt Leid, Damien.“ Er straffte sich, hob den Kopf und betrach- tete seinen Bruder. „Sherbrooke ist tot. Er ist am Mitt- wochabend ermordet worden.“
„Was?“ Ihm wurde plötzlich ganz übel, doch konnte er seinen Bruder nur verständnislos anstarren.
„Anscheinend handelte es sich um einen Raubüberfall. Der Eindringling hat ihn in die Brust geschossen. Sobald ich es erfahren hatte, bin ich zu dir aufgebrochen. Ich weiß, dass du nicht in der rechten Verfassung für derartige Neuigkeiten bist, aber ich wollte nicht, dass du es auf ir- gendeine andere Art erfährst.“
Damien hatte das Gefühl, als ob sämtliche Luft aus sei- nen Lungen
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