Gaelen Foley - Knight 03
wiche. „Bist du denn sicher?“ stieß er hervor. Lucien nickte nur traurig.
„O Gott.“ Er wandte sich um, ging ein paar Schritte, blieb dann stehen, völlig orientierungslos vor Schock. Schließlich fuhr er sich mit der Hand durchs Haar und blieb einfach stehen, wo er war, weil er keine Ahnung hat- te, was er sonst tun sollte. Er starrte auf den trostlosen Himmel, die kahlen Bäume und den kalten, froststarren Fluss, der sich um sein Anwesen schlängelte. Die Sonne hatte sich hinter den Wolken versteckt, und wo vorher der Schnee geglitzert hatte, erstreckte sich nun eine öde weiße Fläche.
Langes Schweigen senkte sich herab.
Hinter ihnen schnaubte der Rappe und scharrte ungedul- dig mit den Hufen. Lucien beruhigte das Tier mit ein paar leisen Worten, während Damien still mit sich rang, um vor schierer Verzweiflung nicht in die Knie zu gehen. Er hatte gedacht, sie alle wären nun in Sicherheit. Der Krieg war vorbei. Wie hatte er nur vergessen können, dass der Tod, der unerbittliche Sieger, nicht überwunden war?
Er fuhr herum, das Gesicht vor Zorn verdüstert. „Weiß man schon, wer es getan hat?“
„Nein. Bow Street untersucht den Fall noch. Sie haben eine ganze Reihe von Dieben aus der Gegend in Verdacht. Ich habe mir die Freiheit herausgenommen, einige meiner jungen Assistenten mit dem Fall zu betrauen.“
„Danke.“ Damien wandte den Blick ab. Sein Gesicht war hart und ausdruckslos, doch war er selbst schockiert, wie rasch er die Neuigkeit wegsteckte. Natürlich bin ich inzwi- schen daran gewöhnt, vom Tod eines Freundes zu erfahren, dachte er voll Bitterkeit. Es galt gewisse Rituale und For- malitäten zu erledigen. Er war Jasons Testamentsvollstre- cker. Er hatte Pflichten zu schultern, und daran klammer- te er sich nun, um nicht den Verstand zu verlieren.
Seine Männer würden ihn ebenfalls brauchen. Als ihr Colonel oblag es ihm, ihnen mit gutem Beispiel voranzuge- hen, Würde und männliche Selbstbeherrschung zu wah- ren. Wie damals auf dem Schlachtfeld waren sie auch jetzt darauf angewiesen, dass er in Aufruhr und Chaos fest stand wie ein Fels. Fünf Jahre ihres Lebens hatten sie in blutigem Schrecken verbracht, und plötzlich fanden sie sich benommen im ruhigen alten England wieder, blutbe- schmierte Wilde, aus denen auf einmal wieder Gentlemen werden sollten. Mein Gott, wie selbstsüchtig ich doch war, überlegte er und schloss die Augen, sich im Stillen dafür verdammend, dass er sie im Stich gelassen und sich in die ländliche Einsamkeit zurückgezogen hatte, um seine Wun- den zu lecken. Wenn er in London geblieben wäre, wenn er sich besser um Sherbrooke gekümmert hätte ... ich hätte da sein sollen!
Voll Schmerzen senkte er den Kopf. Dann blickte er auf, und seine Augen waren grau und kalt wie Stein. Als er sprach, klang seine Stimme ausdruckslos. „Vermutlich braucht man mich in London wegen der Beerdigung. Er
stand seiner Familie nicht besonders nah.“
Besorgt sah Lucien ihn an, versuchte, seine Gedanken zu ergründen. „Ich habe dir noch etwas zu sagen.“ Er griff in seine Westentasche und zog ein gefaltetes Stück Papier hervor. „Sherbrookes Anwalt hat schon versucht, mit dir in Kontakt zu treten. Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich dir das übergebe. Anscheinend hat Jason dich nicht nur zum Tes- tamentsvollstrecker ernannt, sondern auch zum Vormund seines Mündels.“
„Verdammt, das hatte ich ganz vergessen“, murmelte er und nahm den Brief entgegen. Er erbrach das Siegel und strich das Stück Papier glatt. Mit leisem Schauder erinner- te er sich an die Unterhaltung, die sie nach der Schlacht bei Albuera geführt hatten; damals hatte Sherbrooke ihn gebeten, die Vormundschaft für seine kleine Nichte zu übernehmen, wenn er selbst die Säbelwunde und den Ver- lust des Armes nicht überleben sollte. Damien hatte ihm versichert, dass er dies natürlich tun werde.
Voll Schmerzen fiel ihm wieder ein, wie Sherbrooke dem kleinen Mädchen immer Souvenirs gekauft hatte, wie er ihr aus jeder neu eroberten Stadt irgendetwas schickte, ein Stückchen Spitze, Perlen, bunte Schals, kleine Püppchen, Satinschläppchen.
Wie heißt sie gleich noch mal? Er überflog den Brief. Yardley, Warwickshire ...
Er kannte das Kind nicht, wusste aber, dass es die unehe- liche Tochter von Sherbrookes verstorbenem älteren Bru- der und seiner Geliebten, irgendeiner Schauspielerin, war. Vor Albuera hatte Sherbrooke oft von dem lebhaften Kind gesprochen, hatte ihre ernsthaften
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