Gaelen Foley - Knight 04
der Ver- stand zu. Vielleicht würde sie ja so wie ihre Mutter werden! Was wäre, wenn sie Rackford genauso verletzte, wie ihre Mutter ihren Vater verletzt hatte? Was, wenn sie ihrem liebs- ten Billy wehtat, obwohl sie doch genau wusste, wie sehr er Liebe brauchte und wie einzigartig und verletzlich sein Ver- trauen in sie war?
Doch als Jacinda Rackford anschaute, verschwanden all ihre Ängste und wichen einer großen Zärtlichkeit. In der Nähe begann eine Nachtigall zu singen, und Jacinda wusste auf einmal, dass sie diesem Mann niemals wehtun würde. Wie könnte sie ihn je betrügen, wenn doch alles, was sie wollte, dieser Mann war?
Dann verscheuchte sie die wirren Gedanken, schlang die Arme noch fester um Rackford und stützte ihr Kinn auf sei- ne Schulter.
Zusammen beobachteten sie, wie die Sonne unterging und ihr Licht sich in allen Farben im Fluss brach.
Dann wurde es dunkel, und die Sterne funkelten am Him- mel. London war nicht mehr zu sehen. Um sie herum zirp- ten die Zikaden im Gras.
„Jas?“
„Was ist, Billy?“ murmelte sie und strich ihm noch einmal ganz sacht über seine Wunde am Kopf.
„Ich ...“ Er hielt inne und betrachtete forschend ihr Ge- sicht.
Jacinda strich ihm eine goldene Locke aus der Stirn. „Ja?“
„Ich denke, wir bringen dich jetzt besser nach Hause“, er- klärte Rackford und setzte sich schnell auf. „Es wird lang- sam spät.“
Jacinda runzelte die Stirn, denn sie hatte mit etwas ganz anderem gerechnet. Als er aufstand und ihr die Hand hin- streckte, um Jacinda aufzuhelfen, ergriff die junge Frau sie, ohne zu zögern. Sie bemerkte eine tiefe Sehnsucht in seinen Augen, aber dann wandte er fast scheu den Blick ab. Mit größter Höflichkeit und Zuvorkommenheit führte er sie den Berg hinunter.
Ich wage zu behaupten, dass ich doch noch einen Gentle- man aus ihm gemacht habe, dachte Jacinda, als Rackford ihr in den Wagen half. Dann setzte er sich neben sie, ergriff die Zügel, schnalzte den Pferden zu und fuhr sie nach Hau- se.
Ein Jammer, dachte sie belustigt und musterte das elegan- te Krawattentuch, die Handschuhe, die schimmernden Stie- fel und den gut geschnittenen Gehrock. Als Wilder hat er mir fast besser gefallen.
15. KAPITEL
Rackford machte die Lüge, die er Jacinda aufgetischt hatte, schwer zu schaffen, aber er war sich sicher, dass der idylli- sche Abend auf dem Primrose Hill nicht dazu angetan gewe- sen war, Jacinda zu erzählen, was er nachts heimlich im Gaunerviertel getrieben hatte. Lizzies Abschied hatte sie schon genug aufgeregt, deshalb war er entschlossen, jetzt besonders nett und rücksichtsvoll zu Jacinda zu sein. Was sie jetzt brauchte, waren alle Kraft und Zuverlässigkeit, die er ihr aufbieten konnte, nicht die schockierende Enthül- lung, dass er gegen Sir Anthonys Vorgaben verstieß und nachts weiterhin wie ein Wilder um sein Leben kämpfte. Und vor allem sollte sie nicht erfahren, dass er gefangen ge- nommen worden war und hatte fliehen müssen.
Eigentlich brannte Rackford darauf, es seinen Gegnern heimzuzahlen, aber erst mussten seine Wunden heilen. Dann würde er wieder in sein altes Viertel zurückkehren. Auf einmal hatte er es nicht mehr so eilig dort aufzutau- chen. Denn seit Lizzie fort war, hatte er Jacinda für sich al- lein. Außerdem musste er immer damit rechnen, irgend- wann nicht mehr zurückzukommen.
In den nächsten Tagen verbrachte er fast jede freie Minu- te mit Jacinda. Rackford ahnte, dass sie sich hin– und her- gerissen fühlte. Sicherlich überlegte sie, ob sie ihre Pläne hinsichtlich Lord Drummond verwirklichen sollte, erkann- te jedoch andererseits, dass sie tiefe Gefühle für Rackford hegte.
Rackford hatte längst durchschaut, dass Jacinda die abge- klärte, verwitwete Baronesse idealisierte. Doch offenbar hatte die Tatsache, dass Lady Campion sich Jacindas Lieb- lingsbruder Alec zum Liebhaber auserkoren und damit un- wissend Lizzie Schmerzen zugefügt und sie aus dem Haus
getrieben hatte, Zweifel in Jacinda ausgelöst. Sie schien sich zu fragen, ob der Plan, den sie verfolgte, richtig war. Auch wenn sie diese Überlegungen hinter ihrer üblichen Selbstsicherheit zu verbergen suchte.
Und sie hat allen Grund zu zweifeln, dachte Rackford, während er seine Ungeduld zu beherrschen versuchte, wäh- rend sein Verlangen nach Jacinda ins Unermessliche wuchs. Er wollte verdammt sein, wenn er es zuließ, dass sie sich wie Eva Campion, die ihm seit seiner Ankunft in der guten Ge- sellschaft schon zweimal
Weitere Kostenlose Bücher