Gaelen Foley - Knight 04
Zwillin- ge herunterzubringen, damit Jacinda Edward und Andrew Auf Wiedersehen sagen konnte, ehe sie auf Reisen ging. Liz- zie fragte, ob sie Andrew einmal halten dürfe, während Da- mien zu ihnen kam, den Arm um Miranda legte und stolz damit angab, wie fest sich Edward schon an seinen kleinen Finger klammern konnte.
Rackford wandte sich mit fragendem Blick zu Jacinda um, und ihr krampfte sich das Herz zusammen, als ihr wieder
einfiel, wie schrecklich seine Kindheit gewesen war. Rasch beugte sie sich zu ihm herüber und drückte ihm einen liebe- vollen Kuss auf die Wange.
Der Nachmittag schritt weiter voran, und plötzlich war es für Rackford und Jacinda Zeit aufzubrechen. Sie wollten um ein Uhr mit drei Reisekutschen – eine für sich, eine für die Diener und eine für die Berge von Gepäck – nach Dover fahren und von dort die Fähre über den Ärmelkanal neh- men. Jacinda hatte vor, Rackford zu zeigen, wie angenehm und stilvoll man reisen konnte.
Abschiede waren in dieser Familie immer eine langwieri- ge Sache, und auch diesmal gab es keine Ausnahme. Jacin- da und Rackford brauchten eine halbe Stunde, um endlich die Halle zu erreichen. Während Jacinda wartete, dass Rackford aufhörte, mit Alec und Lucien zu scherzen, kamen ihre Neffen Harry und Morley auf sie zugerannt.
„Tante Jacinda! Tante Jacinda!“
„Ja, meine Lieblinge?“ fragte sie und beugte sich hinunter, um sie zu umarmen.
„Wir haben einen Zettel gefunden!“ rief Morley.
„Du hast ihn unter deinen Stuhl fallen lassen.“ Mit wich- tiger Miene reichte Harry ihr ein Stück Papier.
„Danke, Jungs.“ Jacinda erkannte sofort das Siegel der Truros im Wachs und dachte, dass der Brief Rackford aus der Tasche gefallen sein musste.
„Was steht drin?“ erkundigte sich Harry ernst.
„Nun, es sieht so aus, als wäre er für Lord Rackford. Wir wollen ja nicht neugierig sein ...“ Andererseits hatte er ihr noch nichts über die Nacht in Torcarrow anvertraut, obwohl Reg und Justin alles darüber wussten. Außerdem hatten die Kinder den Brief bereits auseinander gefaltet.
Jacinda warf einen raschen Blick auf die großen, strengen Buchstaben auf dem Pergament, aber nachdem sie eine Zei- le gelesen hatte, wusste sie sofort, dass etwas nicht in Ord- nung war. Zum Teufel mit der Diskretion, dachte sie und las auch den Rest.
Liebster William,
hast du meinen früheren Brief nicht bekommen? Ich habe noch keine Antwort von dir erhalten. Bitte komm. Ich weiß, dass du wütend bist, aber wenn du
auch nur ein bisschen Mitleid für deine Mutter emp- findest, musst du wissen, dass ich dich in dieser schweren Zeit brauche.
Die Ärzte sagen, dass dein Vater nicht mehr lange zu leben hat. Durch den Schlaganfall kann er seine linke Körperhälfte nicht mehr bewegen, und sie rechnen je- den Moment mit einem zweiten Schlaganfall. Sie schröpfen ihn und lassen ihm die beste Pflege zukom- men, aber es geht ihm mit jedem Tag schlechter. Du kannst es doch bestimmt einrichten zu kommen. Völ- ler Sorge erwartet deine Ankunft
in Liebe
deine Mutter
Jacinda las den Brief noch einmal und traute ihren Augen kaum. Lord Truro lag im Sterben? Was um alles in der Welt war geschehen? Sie blickte zu ihrem Ehemann, der nicht weit entfernt mit ihren Brüdern stand und sich unterhielt. Sie konnte kaum fassen, dass er die Tatsache nicht für er- wähnenswert gehalten hatte, dass sein Vater krank war und im Sterben lag.
Rasch faltete sie den Brief zusammen, griff nach Rack- fords Hand, verabschiedete sich ziemlich angespannt von den Gästen und ihrer Familie und zog Rackford zur Kut- sche.
„Nach Dover, Kutscher!“ rief Rackford fröhlich und winkte allen noch einmal zu, ehe er Jacinda in die Kutsche hob.
Jacinda hatte den Verdacht, dass er ein bisschen ange- trunken war. Sie blieb auf der Kutschentreppe stehen. „Warten Sie. Einen Moment noch. Kann ich dich kurz spre- chen, Rackford?“ Sie zog ihn in die Kutsche.
„Wirst du ungeduldig, meine Liebe?“ Er ließ sich mit ei- nem anzüglichen Grinsen ihr gegenüber nieder.
Jacinda reichte ihm den Brief. „Du hast das hier verloren. Möchtest du mir vielleicht erklären, was das soll?“
Sein Lächeln erstarb. Er nahm ihr den Brief aus der Hand und schleuderte ihn beiseite. „Eigentlich nicht.“
„Was ist passiert?“
Er verdrehte die Augen und wandte den Blick ab. „Der al- te Schweinehund hat einen Schlaganfall gehabt und ist zu-
sammengebrochen.“
„Rackford! Wann war das?“
„Vor einer Woche.“
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