Gaelen Foley - Knight 04
einem Vorwand, um sie wieder zu treffen.
Natürlich, dachte er dann plötzlich. Er musste ihr ihre Kette zurückgeben.
Blade hatte keine Ahnung, was er noch tun sollte, außer ihr ihren Schmuck zurückzugeben, aber zumindest wollte er wissen, ob es ihr gut ging.
Mit leicht zitternder Hand drückte er die qualmenden Reste seines Zigarillos im Aschenbecher aus. Dann hängte er sich sein Pistolenhalfter um, legte den Waffengürtel an und zog seinen schwarzen Ledermantel über. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es jetzt fünf Uhr war.
Selbst ein kleiner Dieb wie er wusste, wo die modische Welt der guten Gesellschaft sich um diese Zeit aufhielt: im Hyde Park.
Blade schlenderte den Flur entlang, bereit, sich allem zu stellen, was außerhalb seines Rattenlochs von Diebesver- steck auf ihn wartete. Schließlich hatte die naive, aufge- putzte Debütantin auch nicht davor zurückgeschreckt, sich in seine Welt zu begeben.
Jetzt war die Zeit gekommen, dass er sich in ihre begab.
Der nächste Tag war da und damit das unvermeidliche Fa- milientreffen. Als Lucien sie am Abend vorher zurück in den Wohnsitz der Familie gebracht hatte, hatten alle anderen sich schon zurückgezogen, so dass Jacinda ihrem Schicksal erst einmal noch entgangen war. Heute war jedoch ohne Frage der erniedrigenste Tag ihres Lebens.
„Was hast du dir bloß dabei gedacht?“
„Wie konntest du nur, Jacinda?“
Während die Diener neugierig an der Tür lauschten, saß Jacinda stumm und beschämt auf einem Holzstuhl inmitten des Sturms, ohne eine Antwort auf die vielen Fragen zu wis- sen, während ihre Brüder sich gegenseitig, ihrer Gouver- nante, der unhaltbaren Natur der Frauen, dem Blut ihrer Mutter und vor allem Jacinda selbst die Schuld gaben. Ihre
Schwägerinnen Bel und Alice hatten verärgert Jacindas Partei ergriffen, was zusätzlich zu ehelichen Streitigkeiten geführt hatte.
Jacinda war nur froh, dass Damien und Miranda wegen der Geburt ihrer Zwillinge vor zwei Monaten noch auf ih- rem Landsitz in Berkshire weilten, sonst hätte sie es nicht nur mit Lucien und Robert, sondern auch noch mit ihrem anderen Bruder zu tun gehabt.
„Robert, Jacinda sollte keinen Mann heiraten müssen, den sie gar nicht ehelichen will“, wandte Bel so diplomatisch wie möglich ein. „Sie sollte genauso wie wir alle ihre Wahl selbst treffen dürfen.“
Jacinda hatte gehofft, dass sie der leichtsinnige Lord Alec, ihr Lieblingsbruder, der ihr vom Wesen her am ähnlichsten war und ihr als der Jüngste der fünf auch altersmäßig am nächsten stand, unterstützen würde, aber niemand hatte ihn gesehen.
„Ich will das Mädchen doch nur beschützen!“ rief Robert laut. „Wenn es nicht bald heiratet, gibt es garantiert noch einen handfesten Skandal. Willst du, dass das passiert?“
„Bitte! Bitte, alle …“, begann die arme Lizzy immer wie- der, obwohl ihr niemand zuhörte. Die arme Lizzy, Jacindas beste Freundin und Gesellschafterin, gab sich die Schuld an allem und wollte erklären, dass das alles nicht passiert wä- re, wenn sie besser auf Jacinda aufgepasst hätte, während Miss Hood, Jacindas Anstandsdame, immer wieder verkün- dete, dass sie kündigen wolle.
„Den Rest meines Gehalts können Sie an diese Adresse schicken“, sagte Miss Hood und hielt Roberts anmutiger Herzogin einen Zettel hin. „Noch nie in meinem Berufsleben hatte ich es mit einem so störrischen, eigenwilligen Mäd- chen zu tun ...“
„Bitte, Miss Hood“, flehte Bel. „Sie können nicht einfach gehen. Wir haben ja noch nicht einmal Gelegenheit gehabt, eine Nachfolgerin für Sie zu suchen.“
Lucien versuchte zu vermitteln, aber sein diplomatisches Geschick, das bei ausländischen Würdenträgern oft Wir- kung zeigte, nützte ihm bei seiner eigenen Familie gar nichts. Vergeblich versuchte er, die anderen zu beruhigen, doch schließlich verschränkte er die Arme vor der Brust und warf Jacinda düstere Blicke zu. Wenigstens hielt er sein Ver-
sprechen, den anderen nicht zu verraten, dass sie Blade er- laubt hatte, sie zu küssen.
Jacinda wusste nicht, warum der diebische Halunke das zugegeben hatte. Wahrscheinlich hatte er angenommen, dass sie ihre Drohung wahrmachen und ihren Brüdern ihre Spielchen im Bett verraten würde.
„Wie lange genau hattest du deine Flucht schon geplant, junge Dame?“ wollte Robert wissen. Er war ein großer, schlanker Mann mit schwarzem Haar und braunen Augen, der sich jetzt auf die glänzend polierte Oberfläche seines
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