Gaelen Foley - Knight 05 - Rache im Blut
Grab.
Dann ging ihm auf, dass sie ihn schon lange beobachtet hatte.
Er wusste nicht, ob er zu ihr gehen oder wegrennen sollte. Beide rührten sie sich nicht. Dev war noch nie der Mann gewesen, der vor einer Gefahr davonlief. Er tat einen Schritt auf sie zu – und der Geist floh.
Geist? Ein Geist verursachte keine hörbaren Schritte. Mit einem Fluch schickte Dev sich an, die höchst sterbliche Frau zu verfolgen.
Wer immer das war, sie hatte gesehen, dass er bei Quint ein- gebrochen war.
Das war nicht gut.
Mary floh voller Panik. Sie hob ihre Röcke und rannte schnell in eine Seitenstraße.
„Zeig dich!“, brüllte Lord Strathmore hinter ihr, und seine dunkle Stimme hallte von den Wänden wider, vom Nebel selt- sam verzerrt. „Ich tu dir nichts, verdammt! Ich will nur mit dir reden!“
Sie achtete nicht auf ihn, huschte durch eine Ladengasse und ärgerte sich, dass sie sich überhaupt gezeigt hatte. Jetzt war er gewarnt – wo es gerade erst interessant wurde!
Sie hatte ihn oft beobachtet, sie alle. Das Letzte, was sie von Devlin Strathmore erwartet hatte, war, dass er in das Kutschenhaus dieses dummen Riesen einbrach. Das hatte die ganze Situation auf den Kopf gestellt. Mary war sich auf ein- mal nicht mehr sicher, wer hier wen manipulierte. Tanzte der junge Viscount nach Quints und Carstairs’ Pfeife oder steckte mehr dahinter, als man auf den ersten Blick wahrnahm?
Sie konnte es nicht riskieren, ihn selbst zu fragen, da sie ihn nicht kannte – vielleicht war er so böse wie die anderen. Sie konnte nicht riskieren, dass er von Sorscha erfuhr.
Mary wusste, dass er die Vormundschaf t über seine Schwes- ter hatte, und sie würde sie ihm übergeben müssen, ob sie wollte oder nicht, wenn er davon erfuhr, dass sie noch lebte. In einer belebten Straße schaffte sie es, ihn abzuschütteln, indem sie auf einen fahrenden Wagen aufsprang.
„Komm zurück!“, rief er, und Verzweiflung klang in seiner Stimme. Sie sah ihn still dastehen, und er fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
Er sieht nicht böse aus, dachte sie, während er immer klei- ner wurde, als der Wagen weiterfuhr.
Aber ehe sie nicht mit letzter Sicherheit wusste, dass er auch wirklich der Sohn seines noblen Vaters war, sich ge- nauso verhielt, würde sie ihm nichts erzählen.
15. Kapitel
„Zum Teufel mit diesen verwünschten Geldeintreibern!“, rief Ben über das beharrliche Klopfen an der Eingangstür hinweg.
„Lass mich das machen“, knurrte Dev, der gerade den Flur entlangkam. Es war Sonnabend am späten Nachmittag, und
er war gerade im Begriff, nach Vauxhall zu fahren, um erneut die sinnverwirrende Gesellschaft von Miss Carlisle zu genie- ßen, was er nach den Ereignissen der letzten Nacht nur zu gut gebrauchen konnte. Dev wusste, dass sein treuer Kam- merdiener schon den ganzen Tag über immer wieder Leute verjagt hatte und hatte deshalb beschlossen, die Angelegen- heit diesmal selbst in die Hand zu nehmen. Wütend riss er die Tür auf. „Jetzt hört mir gefälligst mal zu!“, brüllte er dabei und hielt dann verblüfft inne. „Charles!“
Der zierliche Anwalt war erschrocken zusammengezuckt, aber jetzt schluckte er und stotterte eine Begrüßung. „M... Mylord.“
„Entschuldigen Sie, Charles, kommen Sie doch herein.“ Er versetzte dem adretten kleinen Anwalt einen freundschaft- lichen Schlag auf die Schulter, als der vorsichtig das Haus betrat. „Tut mir Leid, alter Junge. Die Geldeintreiber lassen mir keine Ruhe.“
„J...ja, Sir, deshalb bin ich hier.“ Charles zupfte an seinem Halstuch und kämpfte darum, nach dem Schreck seine Fas- sung wiederzugewinnen.
„Kann ich Ihnen etwas zu trinken kommen lassen? Sie se- hen ein bisschen blass aus.“
„Nein, Sir, danke. Es geht gleich wieder.“ Beecham riss sich zusammen. „Ich komme mit sehr guten Neuigkeiten, Lord Strathmore.“
„Wirklich?“
Charles nickte langsam und begann zu lächeln wie ein sieg- reicher Schachspieler.
„Nun?“ Der Anwalt sah aus, als würde er gleich platzen, wenn er nicht reden dürfte.
Charles straffte die Schultern und strahlte ihn an. „Sir“, be- gann er stolz, „nach wochenlanger Arbeit habe ich einen Weg gefunden, wie ich Sie aus den Bedingungen des Testaments Ihrer Tante befreien kann.“
Dev sah ihn verblüfft an. „Das haben Sie?“
„Ja! Sie haben angeordnet, dass ich einen Weg finde, und das habe ich getan – ich habe es geschafft, Mylord. Sie brau- chen Miss Carlisle nicht mehr zu heiraten. Das Geld gehört Ihnen.
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