Gaelen Foley - Knight 07
zu Jack hinüber und öffnete den Deckel der Spieluhr. Ein paar Töne er- klangen, ehe die Uhr verstummte. „Man muss sie wieder aufzie- hen.“ Sie bedachte ihn mit einem ernsten Blick. „Sie hat meiner Mutter gehört.“
Fragend sah er sie an. Dann fiel ihm ein, dass Victors Ehefrau vor zwölf Jahren gestorben war, als in vielen Teilen Londons ein Fieber ausgebrochen war. Ein trauriges Schicksal für einen Arzt, wenn es ihm nicht gelang, seine eigene Frau zu retten. Kein Wunder, dass Farraday dem Arztberuf den Rücken gekehrt hat- te. Seine Kunst hatte ihr nicht helfen können.
In der Einleitung zu seinem Buch hatte Dr. Farraday erklärt, dass nach dem Tod seiner Frau er und sein einziges Kind, eine Tochter, nach Westindien gegangen waren. Einige seiner kreoli- schen Freunde hatten, um ihn aus seiner Verzweiflung zu retten, vorgeschlagen, eine kurze Reise in den Urwald am Orinoco zu unternehmen. Kannten sie doch sein langjähriges Interesse an Naturphilosophie und Wissenschaft. Er hatte gemeint, es täte seiner Seele gut, daher hatte er der Reise zugestimmt. In den Wäldern jedoch war der Arzt an einem Fieber erkrankt, das ihn um ein Haar getötet hätte, doch sein Leben war gerettet worden, als ihm ein indianischer Hexendoktor unbekannte Kräuter ver- abreichte.
Dem Buch zufolge hatte Dr. Farraday in jenem Augenblick erkannt, dass seine Lebensaufgabe darin bestand, die Geheim- nisse alter indianischer Medizin zu erforschen und die Urwald- pflanzen, aus denen sie gemacht wurden. Dieses Wissen wollte er irgendwann in die zivilisierte Welt bringen, sodass mehr Leben gerettet werden konnten.
In dem Buch wurde nicht erwähnt, dass der gute Doktor seine Tochter auf dieses gefährliche Unternehmen mitgenommen hat- te. Nun, da Jack die Wahrheit kannte, machte ihn das ziemlich wütend, auch wenn er sich nichts davon anmerken ließ. Dies war
kein Ort für ein junges Mädchen. „Das mit Ihrer Mutter tut mir leid“, sagte er schroff.
„Ist schon gut.“ Sie lächelte traurig und stellte die Spieluhr zurück auf das Regal. Sie wollte ihrer Trauer nicht nachgeben. „Was führt die Herren nach Venezuela?“ Sie lehnte sich an den Balken und biss von ihrer Ananasscheibe ab.
„Wir wollten gerade ... äh ...“, begann Trahern.
„Freunde besuchen“, vollendete Jack den Satz.
„Ich verstehe“, murmelte sie mit einem vielsagenden Blick. „Freunde oben in Angostura?“
Jack und Trahern sahen einander erstaunt an. Sie waren bei- de überrascht, denn keinem von ihnen war der wissende Unter- ton in ihrer Stimme entgangen. Jack jedenfalls stand vor einem Rätsel.
Die meisten Frauen, die er kannte, taten zumindest so, als hät- ten sie nicht einen einzigen Gedanken im Kopf, der über Tanzen, Soireen und die neueste Mode hinausging. Aber dieses Mädchen hatte sozusagen geradeheraus gefragt, ob ihr Besuch politischer Natur war.
„Egal“, sagte sie und winkte ab, als wolle sie nicht, dass ihre Gäste sich unbehaglich fühlten. „Es geht mich nichts an, ob Sie den Rebellen helfen. Ehrlich gesagt, hoffe ich, dass sie gewin- nen, obwohl Papa darauf beharrt, dass die Wissenschaft neutral ist.“
„Niemand sagte etwas von Hilfe für die Rebellen, Miss Farra- day. Wir sind in geschäftlichen Angelegenheiten hier“, belehr- te Trahern sie mit einem charmanten Lächeln. Jack vermutete, dass er sie noch immer für eine leicht lenkbare Frau hielt. „Wir handeln in großem Rahmen mit tropischen Harthölzern, wissen Sie. Wir sind nur gekommen, um die Stämme zu holen, die Sie auf dem Schiff gesehen haben.“
„Ah ja, wegen der Bäume.“ Sie warf Jack einen fragenden Blick zu, der ihre Zweifel darüber ausdrückte, dass der Eigen- tümer von Knight Enterprises persönlich gekommen sein soll- te, um eine Ladung Holz abzuholen. Doch sie reizte das Thema nicht weiter aus, sondern schob es mit der Nonchalance einer Gastgeberin aus der Stadt beiseite. Fasziniert beobachtete Jack sie. Doch als sie sich zierlich die Mundwinkel mit den Finger- spitzen abwischte, begriff er, dass das neue Thema ebenso ge- fährlich sein würde.
„Ich habe gesehen, dass es sich zum größten Teil um Rosenholz
und Mahagoni handelt“, sagte sie. „Aber ich habe auch etwas Zebraholz entdeckt, und ich hoffe, Sie haben nicht zu viel davon geschlagen.“
„Wir haben überhaupt kein Holz geschlagen, Miss Farraday“, mischte sich Trahern ein. „Wir haben es von einem der örtlichen Händler gekauft.“
„Ja, aber wissen Sie, es ist so selten.
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