Gai-Jin
auf ihn zuging. Die Soldaten nahmen die Gewehre von den Schultern. Ringsum hörte man das Prasseln des Feuers, und die Flammen warfen seltsame Schatten. Er wirbelte herum und rannte. Sofort setzten sie ihm nach.
Auf der anderen Seite des Niemandslandes war das brennende Lagerhaus völlig außer Kontrolle geraten. Ohnmächtig versuchten die Soldaten, eine Feuerwehr zu organisieren, um angrenzende Häuser und Straßen zu schützen. Das Feuer erhellte den Weg, so daß er den Hindernissen mühelos ausweichen konnte. Als er in die leere Gasse neben dem brennenden Gebäude einbog, wallte Hoffnung in ihm auf. Mühelos ließ er die verfolgenden Soldaten hinter sich.
»Halt, oder ich schieße!« Die Worte bedeuteten ihm nichts, aber er verstand die Feindseligkeit. Er rannte weiter, jetzt mußte er jeden Augenblick in Sicherheit sein. Aber er hatte vergessen, daß das Licht, das ihm half, auch für die anderen arbeitete, denn er hob sich deutlich von den Flammen ab.
»Halten Sie ihn auf, Sergeant! Töten Sie ihn nicht, verwunden Sie ihn nur!«
»Jawohl, Sir… Warten Sie… Allmächtiger, ist das nicht der Kerl, hinter dem Sir William her ist, Nakama, der verdammte Mörder?«
»Verflucht will ich sein, Sie haben recht, das ist er. Schnell, Sergeant, halten Sie ihn auf, verwunden Sie ihn!«
Der Sergeant legte an und drückte ab. »Hab ihn!« schrie er erfreut und lud nach. »Los, Jungs!«
Die Kugel fällte Takeda. Sie schlug durch den Rucksack in seinen oberen Rücken, durchbohrte einen Lungenflügel und trat sauber aus der Brust wieder aus. Takeda schrie vor Schreck auf, fühlte aber keinen Schmerz. Ein Arm hing nutzlos herunter. Das Brüllen des nahen Feuers übertönte seine Stimme. Das Entsetzen trieb ihn auf die Knie, die Hitze der herannahenden Flammen war unvorstellbar, aber er fühlte es, die Sicherheit nur ein paar Schritte die Gasse hinunter entfernt. Er kroch verzweifelt vorwärts. Dann hörte er trotz seines Weinens die Schreie der Soldaten dicht hinter sich.
Dann übernahmen seine Reflexe das Kommando. Seinen heilen Arm als Stütze benutzend, stemmte er sich auf die Füße und stürzte sich mit einem mächtigen Aufschrei in die Flammen. Der junge Soldat, der den anderen voranlief, taumelte rückwärts, um sich in Sicherheit zu bringen, die Hände schützend gegen das Inferno erhoben; das brennende Gebäude mußte jeden Augenblick einstürzen.
»Verfluchter Mist!« sagte der Soldat und starrte in die Flammen, wo seine Beute verschwunden war. Der Gestank von brennendem Fleisch ließ ihn würgen. »Noch eine Sekunde, und ich hätte den Kerl gehabt, Sir, er war es tatsächlich, der Bursche, den Sir William…«
Das waren seine letzten Worte. Die Bomben in Katsumatas Rucksack gingen in einer gewaltigen Explosion hoch, ein Metallstück zerriß dem Soldaten den Hals, und der Offizier und die anderen purzelten durcheinander wie Kegel. Wie ein Echo detonierte nun ein Ölfaß, dann noch eins, und ein weiteres. Die Auswirkungen waren verheerend. Flammen und Glut schossen in die Luft, und der durch die Hitze immer stärker werdende Wind packte sie und trug sie erbarmungslos weiter.
Die ersten Dorfhäuser begannen zu brennen.
Der Shoya, seine Familie und alle Dorfbewohner, bereits mit Masken gegen den Rauch ausgerüstet und Sekunden nach dem ersten Alarm bereit, arbeiteten mit gut geprobter, aber stoischer Ruhe weiter, um Wertgegenstände in die kleinen feuerfesten Ziegelbunker zu tragen, die sich in jedem Garten befanden.
Auf der ganzen Länge der Hauptstraße begannen die Dächer zu brennen.
Weniger als eine Stunde nach der Explosion der ersten Bombe existierte die Herberge ›Zu den drei Karpfen‹ nicht mehr, und der größte Teil der Yoshiwara war verbrannt. Nur noch gemauerte Kamine, steinerne Stützpfosten von Häusern und die feuerfesten Schutzräume aus Ziegeln, Steinen und Erde ragten aus den Asche- und Gluthaufen. In Gruppen drängten sich benommene Bewohner zusammen. Wunderbarerweise hatten die Feuer zwei oder drei Herbergen verschont.
Auf der anderen Seite des Grabens brannte das Dorf lichterloh. Jenseits des Dorfes, in der eigentlichen Niederlassung, standen bereits die Dächer von drei Häusern in der Nähe von Drunk Town in Flammen. Eines davon war das Gebäude des Guardian, in dem Jamie McFay sein neues Büro hatte.
Nettlesmith und die Angestellten reichten Eimer an Jamie weiter, der oben auf einer Leiter stand und die Flammen des Daches zu löschen versuchte; das Nachbarhaus brannte ebenfalls.
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