Gai-Jin
die Flammen aus und zog Tyrer hoch. Ein Blick auf Fujiko reichte. Die Bombe hatte sie in zwei Hälften gerissen.
Halb blind durch den Rauch, zerrte Hiraga Tyrer hinaus. In diesem Moment brach das brennende Dach zusammen, und sie stürzten übereinander, während der Wind Funken und Glut wie mit einem Flammenwerfer vor sich hertrieb und andere Häuser, Zäune und die nächste Herberge in Brand setzte. Schreie, Rufe und Feuerwarnungen; schon rannten Menschen mit Wassereimern hin und her.
Erstaunt, noch am Leben zu sein, hustend und würgend, schlug Hiraga auf eine brennende Stelle an der Brust seines Kimonos ein, um die Flammen zu löschen. Das Kurzschwert steckte noch in seinem Gürtel, das Langschwert war verschwunden. Soweit er sehen konnte, war Tyrer unverletzt, aber mit Sicherheit konnte er das nicht sagen, denn er fühlte sich vom Qualm benommen.
Keuchend und spuckend stand Hiraga über Tyrer und versuchte, wieder zu Verstand zu kommen. Er sah sich nach neuen Gefahren um. Das nahegelegene Haus ging in Flammen auf, dann das nächste, und der Fluchtweg war abgeschnitten.
Katsumata hatte recht, dachte er. Bei diesem Wind ist die Yoshiwara zum Untergang verurteilt. Und mit ihr die ganze Niederlassung.
Am Rande vom Niemandsland blieb die Militärpatrouille wie angewurzelt stehen – und mit ihr alle anderen in Drunk Town, die halbwegs nüchtern waren. Alle starrten über den Zaun in Richtung Yoshiwara, wo zwei Flammensäulen gen Himmel stiegen und sich Qualmwolken auftürmten. Der Wind trug ferne Schreie und den Klang von Glocken heran. Schwach war eine dritte Explosion wahrzunehmen, dann eine weitere Kaskade von Feuer, die der Rauch rasch einzuhüllen begann. Ascheflocken flogen vorbei.
»Allmächtiger Gott«, murmelte der Sergeant und trat aus dem Windschatten des Lagerhauses, um besser sehen zu können, »war das eine Bombe?«
»Keine Ahnung, könnte auch ‘n explodiertes Ölfaß sein. Wir sollten besser zurückgehen, das Feuer kommt direkt auf uns zu, und…«
In diesem Moment ging der Brandsatz, den Takeda auf der anderen Seite des Lagerhauses angebracht hatte, hoch. Instinktiv duckten sich alle. Weiterer Rauch, prasselndes Feuer, Schreie von den nahen Bewohnern von Drunk Town und Rufe nach Wassereimern. »Feuer! Feuer! Beeilt euch, um Gottes willen – das ist das Lampenöllager!«
Halbnackte Männer rannten in und aus benachbarten Häusern, um ihre Wertsachen in Sicherheit zu bringen. Weiter die Straße hinunter leerte sich Mrs. Fotheringills Etablissement, Bewohnerinnen und Kunden tobten und stiegen fluchend in ihre Kleider.
Disziplinierte Samurai strömten durch das Südtor herein und rannten mit Leitern und Wassereimern in Richtung Yoshiwara, nasse Rauchmasken vor den Gesichtern. Ein paar bogen ab, um das Feuer im Lagerhaus zu bekämpfen, die anderen liefen weiter. Flammen aus dem lodernden Dach des Lagerhauses übersprangen vom Wind getrieben die Gasse und griffen die nächste Zeile von Schuppen an, die sofort Feure fing.
Aus seinem Versteck im Niemandsland beobachtete Takeda die verwirrten Soldaten und weidete sich an seinem Erfolg. Ein großer Teil der Yoshiwara brannte bereits lichterloh. Höchste Zeit, sich auf den Weg zu machen. Rasch schob er seine Gesichtsmaske zurecht. Die Maske, der Schmutz und sein rußgeschwärzter, verdreckter Kimono ließen ihn noch bedrohlicher aussehen.
Im gespenstischen Wechsel zwischen Helligkeit und Dunkelheit eilte er zu dem Brunnen, fand den Rucksack, schob den Arm durch die Riemen und bahnte sich, so schnell er es wagte, den gefährlichen Weg durch das Chaos. Warnschreie hinter ihm. Er dachte, man hätte ihn gesehen, aber die Schreie galten nur einem Haus, dessen Wand krachend einstürzte und Menschen und benachbarte Häuser mit einem Funkenregen übersprühte. Dank der Flammen konnte er jetzt besser sehen. Freudig erregt begann er zu laufen.
»He, du!«
Er verstand die Worte nicht, aber der Schrei ließ ihn abrupt innehalten. Vor ihm stand eine weitere Gruppe britischer Soldaten mit einem Offizier, die aus dem Dorf herbeigelaufen waren, um die Gefahr zu erkunden, und verblüfft stehengeblieben waren. Sie versperrten ihm den Fluchtweg.
»Muß ein Plünderer sein! Oder ein Brandstifter! He, du!«
»Mein Gott, passen Sie auf, Sir, es ist ein Samurai, und er ist bewaffnet!«
»Geben Sie mir Deckung, Sergeant! Du! Du da, Samurai, was hast du hier zu suchen? Was trägst du da?«
In panischer Angst sah Takeda, wie der Offizier sein Halfter aufknöpfte und
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