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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Notwehrsituation befunden. Aber erstens, wo sind die Spuren des Zweiten? Und zweitens, Sie behaupten, die Angreifer hätten Strumpfmasken getragen. Aber wir haben bei dem Verletzten keine solche Maske gefunden. Außerdem frage ich mich, wie sich der Angreifer bei der einzigen Verteidigungsaktion, die Sie vorgenommen zu haben behaupten, das Genick brechen konnte.«
    Mein Herz fing an zu galoppieren. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Frau Nerz. Sie betreiben Judo. Warum? Aus Männerhass?«
    Ich holte Luft. »Sagen Sie mal, Herr Kommissar, wessen beschuldigen Sie mich eigentlich? Ist das ein Verhör? Ich dachte, ich sollte hier als Zeugin aussagen.«
    Weber blickte von seinen Fingernägeln auf. »Ja, haben Sie Frau Nerz denn nicht über ihre Rechte aufgeklärt?«, erkundig te er sich mit einer Nuance zu viel Erstaunen in der Stimme.
    Der Polizist schluckte. Sein Chef Keitle vermied jegliche Bewegung. Am Fenster erschienen die ersten Regentropfen.
    »Dann«, sagte Weber, »war’s das wohl. Sie wissen ja, als Zeugin hätte Frau Nerz die Aussage nicht verweigern können, als Beschuldigte aber sehr wohl. Da Sie ihr offenbar nicht gesagt haben, welche Rechte sie hat, ist alles, was sie uns eben erzählt hat, juristisch wertlos. Es kann bei keiner möglichen späteren Verhandlung gegen sie verwendet werden, auch dann nicht, wenn Sie, meine Herren, auf anderem Wege an dieselbe Information kommen.«
    Regen prasselte gegen die Fensterscheibe.
    Christoph Weininger saß versteinert vor den juristischen Scherben seines Versuchs, mich zu Verantwortung zu ziehen, und ich musste mir auf die Lippe beißen, um nicht in Tri umphgelächel auszubrechen.
    »Dürfte ich dann jetzt vielleicht erfahren«, fragte ich, »wer eigentlich das Opfer ist? Ist es denn tatsächlich Horst Bleibtreu?«
    Weininger steckte seine Zigarettenschachtel in die Brustta sche seines Hemdes und sagte mit langen Zähnen und knotiger Stimme: »Er liegt im Koma. Sollte er überleben – was man ihm fast nicht wünschen möchte –, dann wird er nie wieder laufen können. Wahrscheinlich kann er nicht mal mehr die Arme bewegen, nicht mehr ohne Maschine atmen.«
    Sein Fehler war, dass er das Schicksal seines Schlachthofkumpels nicht mehr professionell nehmen konnte.
    »Ich glaube«, bemerkte ich leise, »der Angriff Horsts und des Unbekannten auf mich zeigt, dass Schillers Tod kein Un fall war.«
    Man gönnte mir keine Reaktion. Mit denen hatte ich es mir wirklich gründlich verscherzt.
    »Immerhin hat Schillers Frau –«, begann ich.
    »Meine Herren«, fiel mir Weber ins Wort, »wenn Sie mir einen Vorschlag gestatten.«
    Man blickte den Staatsanwalt an, eher skeptisch denn hoffnungsvoll.
    »Leiten Sie ein erkennungsdienstliches Ermittlungsverfahren gegen Frau Nerz ein. Vergessen Sie die Prügelei am Park Berg. Konzentrieren Sie sich auf Schillers Tod. Meines Erachtens besteht durchaus Tatverdacht gegen Frau Nerz im Fall Schiller. Lassen Sie ihren psychiatrischen Zustand begutach ten, gegebenenfalls durch amtsgerichtliche Einweisung in eine psychiatrische Klinik. Die Gefahr, die von Frau Nerz für die Ermittlungen, für Dritte und für sich selbst ausgeht, scheint mir nicht unerheblich, wie der Vorfall am Park Berg zeigt.«
    In aller Stille vernetzten sich die Blicke.
    »Das können Sie nicht machen!«, fuhr ich auf. »Ich bin von der Presse.«
    »Das wird Staatsanwältin Meisner entscheiden«, sagte Weininger mit angelegtem Kinn und warf Weber einen bösen Halbblick zu. Juristisch betrachtet, waren Polizisten nichts weiter als Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Sie waren nur dann nicht mehr weisungsgebunden, wenn eine Weisung das Recht beugte.
    »Na«, sagte Weber, und es fehlte nicht viel, und er hätte sich die Hände gerieben, »dann bin ich ja hier nicht mehr vonnöten. Guten Tag.«
    Er ging.
    Die Protokollbeamtin zog das unbeschriebene Blatt aus der Schreibmaschine.

14
     
    Ins Haus hatte man mich hineingeführt, den Weg hinaus musste ich alleine finden. Draußen ging schwerer Regen auf den Wengert nieder, an dem die Polizeidirektion lag.
    Kalte Tropfen auf der Kopfhaut waren ausgesprochen ernüchternd. Ein Schleier hing über der riesigen Pragkreuzung. Irgendwo musste dort eine Straßenbahnhaltestelle sein. Bis ich dort war, würde ich klatschnass sein.
    Da tippte mich jemand an den Arm. »Kommen Sie, mein Auto steht da drüben.«
    Weber rannte los, ich hinterher. Kaum saßen wir in der Fahrgastzelle, waren die Scheiben zugedampft. Weber trocknete sich

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