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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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dieses Betrugs nie wieder vor Gericht gestellt werden.«
    Weber bremste schroff am Straßenrand vor meinem Haus. Er ließ die Hand auf dem Schaltknüppel liegen, wandte sich mir herrenhaft zu und sagte: »Wenn Sie mir unterstellen wollen, dass Fängele mir seinen durch mein Ungeschick herbeigeführten Freispruch damit vergütet, dass er mich kostenlos im Schlachthof trainieren lässt, dann unterschätzen Sie meine finanziellen Möglichkeiten und meine Intelligenz.«
    Die Sonne brach durch.
    »Ach, wissen Sie«, lächelte ich, »der Schwabe an sich ist immer verführbar, wenn er ebbes schpare ka, gell. Außerdem verdirbt es den Charakter, wenn man wie Sie stets das Recht auf seiner Seite hat und die Macht, ihm Geltung zu verschaffen. Das erzeugt leicht den Eindruck, man stünde über dem Gesetz.«
    »Und jetzt überschätzen Sie meine Macht.«
    Ich platzierte meine Hand auf seiner Hand auf dem Schaltknüppel. »Jedenfalls vielen Dank, dass Sie mich da heute rausgehauen haben!«
    Er zog die Hand zurück. Aber diesmal war er auf meinen Übergriff vorbereitet gewesen. »Frau Nerz«, sagte er, ganz autonomer Mann, »Sie überschätzen Ihren Charme gewaltig.«
    Rums, Breitseite! Nicht sehr elegant.
    »Außerdem bin ich zwanzig Jahre älter als Sie.«
    »Fünfzehn!«, korrigierte ich und stieg aus.
     
    Das Treppenhaus roch nach gedünsteten Zwiebeln. Die Kleinkinder der Matuscheks im Erdgeschoss rumpelten mit dem Dreirad über die Dielen gegen die Haustür. Schon auf dem Weg nach oben überfiel mich bleierne Müdigkeit. Ich kickte die Pömps gegen die Wand und gab der Wohnungstür einen Schubs. Der Knall blieb aus. Meine Alarmglocken schrillten.
    Die Tür schwang langsam wieder auf.
    Weber blickte erstaunt in meine zur Abwehr erhobenen Krallen. Sein Atem war vom Sprint die Treppen hinauf erhöht, aber nichts gegen mein Keuchen.
    »Was wollen Sie denn noch?«, stammelte ich.
    Er zauderte auf der Türschwelle. Nichts war für einen Mann ernüchternder, als einer Frau, die ihren Charme überschätzte, hinterhergelaufen zu sein und dann in ihr abgeschminktes Gesicht zu blicken. Vielleicht gefielen dem Herrn auch kurzhaarige Frauen nicht, die mit Löchern in den Strümpfen zwischen umgekippten Schuhen herumstanden.
    »Ich wollte mich für meine Grobheit eben entschuldigen«, sagte er. »Das war nicht sehr gentlemanlike.«
    Ich musste lachen. »Rein oder raus?«
    Er zögerte.
    Ich tappte auf ihn zu. Er wich mir aus und stand nun in meiner Wohnung. Ich schloss die Tür, ehe Oma Scheibles Aalsuppenaugen um die Ecke flutschten.
    »Kaffee?«
    Er nickte und musterte wortlos meine Mischung aus Kneipenmobiliar und Einrichtungsmangel. Auf dem Tisch lag ein Stapel Schlüpfer, die Oma Scheible aus meinem Trockner geholt und zusammengefaltet hatte. Dank Oma Scheible war auch meine Küche in allerbestem Zustand. Ich füllte die Kaffeemaschine. »Gibt es noch etwas, was Sie mir sagen müssen?«
    Weber blickte interessiert aus dem Küchenfenster.
    »Oder sind Sie nur gekommen, um zu sehen, ob ich von hier aus auf Ihren Schreibtisch blicken kann?«
    Weber zog umständlich die Zigarettenschachtel aus dem Jackett. »Darf ich?«
    »Bitte, gern.« Ich deutete auf den Aschenbecher, der in der Ecke hinter der Spüle stand, wo Oma Scheible ihn immer hinstellte, nachdem sie ihn gespült hatte. Weber machte einen Schritt in die Küche und griff danach. Ich auch. Seine Hand war warm und zuckte zurück.
    »Wollten Sie nicht etwas sagen?«, lockte ich.
    Vergeblich. Dr. Weber war nicht der Mann, der sich drängen ließ. Umso mehr Abstand schuf er. Er zündete sich die Zigarette an und hüllte sich in Wolken. Ich gab es auf und ging ins Wohnzimmer, um die Schlüpfer vom Tisch zu neh men und ins Schlafzimmer zu tragen.
    Als ich zurückkam, stand Richard Weber in der Küchentür.
    »Sie sollten weniger rauchen«, sagte ich munter.
    Ein eingefleischter Raucher ignorierte solche Sätze. Wahrscheinlich fürchtete er sich vor den sieben Kilo, die er zunehmen würde, wenn er das Rauchen ließ.
    »Außerdem«, fügte ich an, »übertreiben Sie es mit dem Sport. Jeden Tag Schlachthof und am Wochenende Tennis. Mir scheint, Sie sind eine Suchtpersönlichkeit.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte er und hob herausfordernd das Kinn. Wenn diese Geste, bei der man das Kinn entblößte, auch immer eine Spur Angst signalisierte, ein »Wenn du es wagst, greif mich an, aber dann bist du im Unrecht«. Vermutlich war er sich dessen gar nicht bewusst. Der Oberstaatsanwalt konnte

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