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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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mal daran gedacht«, sagte Waldemar sanft, »dass es außer Karate und Judo noch andere Kampftechniken gibt, Aikido und Taekwondo zum Beispiel, oder Ju-Jutsu. In der Bundeswehr und bei der Polizei lernen sie das. Ju-Jutsu bedient sich der Tritt- und Schlagtechniken des Karate, der Fallschule des Judo und einiger wüster Hebelgriffe des Jiu-Jitsu. Hinzu kommen Griffe, um einen Flüchtenden zu Fall zu bringen und einen Verbrecher abzuführen. Sie werden von hinten angesetzt. Lass dir das von Christoph erklären. Er trainiert zwar nicht mehr, aber er hat den schwarzen Gürtel im Ju-Jutsu.«
    »Hatte er einen Grund, Schiller den Tod zu wünschen?«
    »Das musst du ihn schon selber fragen.«
    »Und du?«
    Waldemar ließ meine Hand fallen und hakte die Daumen in den Gürtel auf seinen schmalen Hüften. »Was soll ich denn darauf antworten?«
    »Du bist doch Katrin vom Lotus hierher in den Schlachthof gefolgt. Du hast das ganze Ehedrama mitbekommen, den Streit, die Pleite, die Hantelgeschichte im Hinterhof, Fritzens falsche Beschuldigung. Konntest du das ruhig mit ansehen, du, ein Ninja?«
    »Ich bin kein Richter. Fritz hat mir nie etwas getan.«
    Es klang sehr nach: Das hätte er nur wagen sollen! Fast bedauernd, dass Fritz es nie gewagt hatte.
    »Glück gehabt«, bemerkte ich. »Denn selbst wenn du Fritz nach allen Regeln der Kunst die Kniescheibe zertrümmert hättest, wärest doch nur du selbst der Geschädigte gewesen: Verlust der Trainerlizenz, Ende der Karatekarriere. Du hättest ihn schon umbringen müssen.«
    »Gewalt«, sagte Waldemar steif, »kann immer nur die letz te Option sein. Ein Karateka, der nicht zuallererst einen Streit zu entschärfen versteht, taugt nichts. Glaub mir, wir haben schon aufgepasst, dass Fritz Katrin nicht mehr zu nahe kam. Es war gar nicht so schwierig. Er ist … er war ein Feigling.« Waldemar starrte auf seine nackten Füße.
    Mir juckte es in der Gurgel. Aber wozu ihm vorhalten, dass er Katrin liebte, dass sie auch ihn in ihren Bann geschlagen hatte. Eine Chance rechnete er sich bei ihr offensichtlich nicht aus. Waldemar hatte einmal zu oft in seinem Leben unten gelegen. Es waren nicht die Zähne und Rippen, die dabei zu Bruch gingen, sondern die Selbstachtung. Zwar lernte der Prügelknabe Karate, damit ihn keiner auf dem Schulhof mehr in den Schwitzkasten nehmen konnte, aber das Selbstwertgefühl kam nie wieder.
    »Wenn es so stand«, sagte ich, »warum hat Katrin dann nicht woanders gearbeitet?«
    »Ja, wo denn und wie denn? Fritz hätte ihr überall das Le ben schwer gemacht. Andere Sportstudios finden es nicht so toll, wenn ständig ein eifersüchtiger Gatte vor der Tür herumlun gert oder ins Treppenhaus scheißt. Hier wusste wenigstens jeder, was los ist. Hier konnte man ihn unter Kontrolle halten, so lange er glaubte, er habe sie unter Kontrolle.«
    »Verstehe«, sagte ich.
    Waldemar nahm den Blick zurück und fasste mich fast lie bevoll am Jackenkragen. »Dann sag du mir jetzt mal: Was kümmert dich der Tod von Fritz? Du spionierst uns hinterher, sogar bis in den Tauben Spitz bist du uns gefolgt.«
    »Reiner Zufall«, sagte ich. »Das ist meine Stammkneipe. Außerdem war das noch vor Schillers Tod. Allerdings frage ich mich jetzt, ob ihr dort eure Alibis abgesprochen habt.«
    »Was geht es dich an?«
    Das war eine Frage des Prinzips.
    Waldemars Griff an meiner Jacke war fest. Ich hakte meine Daumen ineinander, presste beide Handflächen auf seine Faust auf meinem Schlüsselbein, machte einen schnellen Schritt rückwärts und drehte mich dabei seitlich. Da er die Hand nicht losbekam, riss es ihn vorwärts und an mir vorbei. Er stolperte über die Matte. Nur dank seiner exzellenten Körperbeherrschung schlug es ihn nicht auf die Schnauze.
    Ich verbeugte mich und wandte mich zur Tür.
    Dort prallte ich mit Gertrud zusammen, in deren aufgerissenen blauen Augen sich eher Entsetzen spiegelte als schmeichelhafte Bewunderung.
    »Waldemar«, sagte sie mit einem echten Knötern in der Stimme. »Kannst du mal runterkommen.«
    »Ist was passiert?«, fragte ich, ohne zu überlegen. Mein Gewissen pochte mir bis zum Hals. Aber Gertrud schüttelte verlogen den Kopf. »Ist was mit Horst?«, hakte ich nach. Ich konnte mich einfach nicht bremsen.
    In Gertruds Augen paarte sich blanker Schrecken mit der Entschlossenheit, mir keinerlei Einblick in die Schlachthofinterna zu gewähren. »Waldemar«, rief sie schrill an mir vor bei, »könntest du bitte sofort kommen. Es ist wichtig.«
    Waldemar kam

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