Gaisburger Schlachthof
Gesicht und Hände mit einem Taschentuch und startete den Motor. Das Gebläse begann, den Dampf von der Scheibe zu lecken. Die Zungen wuchsen schnell nach oben. In Webers dichtem Haar glitzerten Tropfen.
»Aber Sie sind in Ordnung?«, erkundigte er sich.
»Wie meinen Sie das?«
»Na, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann haben Sie sich gestern Nacht immerhin auf der Straße geprügelt.«
Ich betastete die Scharte vom Reißverschluss in meiner Hand. »Und jetzt zweifeln Sie an meiner Zurechnungsfähigkeit?«
Er kurvte den Mercedes über die verschlungene Spurenführung in die Pragkreuzung hinein. »Nehmen Sie das nicht so tragisch. Ich musste mir doch etwas einfallen lassen. Sie waren drauf und dran, wilde Verdächtigungen gegen Katrin Schiller auszustoßen. Und so, wie ich Sie einschätze, hätten Sie auch vor mir nicht haltgemacht. Deshalb haben Sie mich doch zu dieser Veranstaltung bestellt, oder?«
»Nein, damit Sie den Herren das mit der Rechtsbelehrung erklären«, widersprach ich.
Weber hielt an der Ampel und blickte mich gutsherrenhaft amüsiert an. »Ich traue Ihnen ja einiges zu, aber dass Sie vorhersehen, dass Weininger eine Rechtsbelehrung versäumen würde, das nehme ich Ihnen nicht ab.«
»Ich habe es nicht vorhergesehen«, protzte ich, »sondern so arrangiert! Deshalb brauchte ich Sie als Zeugen. Außerdem wollte ich sehen, was passiert, wenn Sie auf Oberkommissar Weininger treffen.«
»Ach?« Es traf Weber tatsächlich unvorbereitet. »Und was ist passiert?«
»Nichts. Aber er hasst Sie und Sie hassen ihn.«
Weber blickte rasch zu mir herüber.
»Es ist grün«, sagte ich.
Er trat aufs Gaspedal. Wir rauschten im Regen vom Pragsattel hinunter Richtung Hauptbahnhof.
»Auf einen unbeteiligten Beobachter«, schwatzte ich vor mich hin, »wirkt es schon sehr seltsam, dass Sie im Schlachthof turnen, im Institut des Mannes, den Sie erfolglos wegen Betrugs angeklagt haben. Gut, Sie gehen hin wegen Katrin. Aber Weininger? Was zieht den dorthin, wo Sie sind?«
»Sie sind keineswegs eine unbeteiligte Beobachterin, Frau Nerz.«
»Dann anders gesagt: Im Zusammenhang mit dem Ges tändnis des Buchprüfers Stenzel, mit dem Sie Fängele überführen wollten, ist der Vorwurf bis in die Presse gelangt, Sie hätten das Geständnis mit Drohungen erpresst.«
»Diese Informationen haben Sie wahrscheinlich aus dem Spiegel .«
»Wenn Sie den Artikel kennen, dann wissen Sie sicher auch, wie er endet: ›Dass die Strafversetzung von Oberkommissar Christoph Weininger vom Elitedezernat Wirtschaft ins Dezernat Gewaltverbrechen im Zusammenhang mit diesen Vorfällen steht, wollte der Polizeisprecher weder bestätigen noch dementieren.‹ Bei dem Polizeisprecher, der nicht lügen konnte, handelte es sich vermutlich um Winfried Käfer. Und wenn Christoph Weininger mit seinen vierzig Jahren immer noch Kriminaloberkommissar ist, dann ist er seitdem nicht einmal mehr befördert worden. Da wäre ich an seiner Stelle auch ziemlich sauer auf Sie, Herr Doktor.«
Weber blinkte sich am Bahnhof schweigend auf die Linksabbiegerspur. Die Ampel wurde zwei Autos vor uns rot, gelb und wieder grün, ehe er wieder etwas sagte. »So wie Sie den Fall Schiller drehen, Frau Nerz, müsste eigentlich Fängele der Tote sein.«
»Oder er ist der Täter. Vielleicht wusste Schiller sehr viel mehr über Fängele, als diesem lieb war. Vielleicht hat er Fängele erpresst.«
»Was zu beweisen wäre.«
Ich war Weber dankbar, dass er es nicht auf Latein sagte.
»Aber es könnte auch sein«, stocherte ich weiter, »dass es zwar um Fängele ging, sich das Drama aber gar nicht zwischen Schiller und Fängele abspielte.«
»Sondern?«
Der Oberstaatsanwalt bewies erneut eine gewisse Freude daran, mich ins Gefecht zu treiben, wobei er die Rolle der Windmühle spielte und ich die von Don Quijote.
»Sondern zwischen Ihnen und Schiller«, antwortete ich brav. »Und es ging nicht um Katrin. Womöglich hat Schiller ja Sie mit einer fiesen Vermutung konfrontiert, warum Sie Ihre Muskelpflege ausgerechnet im Institut des Betrügers betreiben, der dank Ihres Ermittlungsfehlers freigesprochen wurde.«
»Worauf zielen Sie ab?« Weber bog am Hotel Intercontinental in die Neckarstraße ein.
»Auf Korruption, zu Deutsch: Bestechlichkeit. Warum ha ben Sie Fängele denn überhaupt wegen der betrügerischen Olympic- Pleite angeklagt, wenn Sie außer dem halbherzigen Geständnis des Buchprüfers keine Beweise hatten? Jetzt ist Fängele fein raus. Er kann wegen
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