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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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aufhört zu kämpfen. Und Katrin schaute wohl gerade nicht hin.
    Dass Panik aufkommt, wenn das Blut aus dem Kopf nicht mehr in den Körper zurückfließen kann, war eine Lüge. Bei mir kam keine Panik auf. Ich sah von oben, wie mich jemand abwürgte. Es herrschte ein ziemlich fatalistisches Gelächter da oben nahe dem Nirwana.
    Jemand nervte, ohrfeigte, zerrte an mir. Es riss mich auf die Matte zurück und hustend hoch. Es roch nach Zeder und Zibet. Richard Weber hielt mich am Arm gepackt. Ich begriff erst gar nicht, warum er so erschrocken aussah. Wo kam er überhaupt her? Ich erinnerte mich dunkel, dass ich ihn hätte anrufen sollen.
    »Ah, Lisa. Da bist du ja wieder«, sagte Katrin. »Steh auf.«
    Mir war eigentlich nicht nach Stehen. Weber half mir hoch und hielt mich mit einem fast ängstlichen Eigensinn fest, solange ich schwankte. Bei einem, der nur mit Langhanteln gegen den inneren Schweinehund kämpfte, mochten die wilden Raufereien im weißen Kittel einen unangemessenen Schock auslösen.
    »Ich bin okay! Nix passiert«, krächzte ich.
    »Es war keine Absicht«, sagte Vicky dicht am Wasser, »wirklich nicht. Ich habe doch nicht gewusst … wirklich! Das wollte ich nicht, Lisa! Es tut mir leid, wirklich!«
    Vicky, Sabine, Fikrid, René, Achim und wie sie alle hießen standen betreten herum, die Jacken aus den Gürteln gerissen, die Hosen nassgeschwitzt bis zum Saum. Nur Wolf lächelte undurchsichtig.
    »Wer nicht abklopft, ist selber schuld«, bemerkte Katrin trocken. Sie schickte ein Lachen hinterher und zog den Gürtelknoten fester. »Das verstehst du nicht, Richard.«
    Klein und gebügelt im steifen Kittel mit Kampfverstärkung an den Schultern beherrschte sie den Raum, bereit, sich mit jedem anzulegen, der ihre Kompetenz bezweifelte. Weber wiederum war auch in Trägershirt und Baumwollhosen nicht der Mann, der darauf verzichtete, recht zu haben, schon gar nicht, wenn er sich ohnehin exponiert hatte. Plötzlich stand ich den Blicken im Weg, die sich ineinanderbohrten. Gletscherhöhlenblau gegen Milchkaffee. Alle ungeklärten Fragen einer jahrealten Freundschaft standen auf dem Prüfstand, Katrins verzwickte Ehe, Richards Ratschläge, ihre Verletzungen, seine Unentschlossenheit, ihr eindeutig den Hof zu machen.
    »Du weißt genau«, sagte er, »was ich von Gewalt halte. Damit bringt man niemanden zur Einsicht.«
    Katrin lachte. »Aber mit deinen Gesetzen, wie? Manchen Leuten muss man die Handkante zeigen, damit man nichts auf die eigene Nase bekommt. Es tut mir leid, aber das kann Waldemar besser als du.«
    »Er hat doch nicht wirklich …?« Webers Augen schlitzten sich.
    »Doch, genau das! Was wir am Freitag besprochen hatten.«
    Ich erinnerte mich an das verschworene Trio, das ich zufällig im Nadelstreifenanzug im Tauben Spitz aufgestöbert hatte. Waldemar hatte mir bereits vorgeworfen, ich hätte ihnen nachspioniert. Wenn er mir die Rolle der Spionin zuwies, mussten die drei schon etwas Handfestes ausgeheckt haben. Gegen den Willen Webers, wie es aussah. Er warf Katrin ei nen Blick zu, der sie zwang, die Augen zu senken.
    »Worum ging es denn?«, fragte ich.
    Katrin blickte mich an wie ein kleines Kind, das in die Erwachsenenunterhaltung hineinkräht, und wandte sich ab.
    »Kommen Sie, Lisa.« Weber zupfte mich am Ärmel. »Sie sollten aufhören für heute.«
    Katrin fuhr herum.
    Ich verbeugte mich. Sie erwiderte den Gruß mit zusam mengepressten Lippen.
    Erst vor der Dojotür ließ Weber mich los.
    »Was konnte Waldemar besser als Sie, Richard?«, fragte ich, und zelebrierte dabei seinen Vornamen ebenso, wie er meinen seit neuestem zelebrierte.
    Er fuhr sich über die Haare und blickte an mir vorbei.
    »Wobei mir einfällt, Richard, dass Sie mir heute im Geschäft haben ausrichten lassen, dass ich Sie anrufen soll. Das habe ich auch umgehend getan. Aber Ihre Sekretärin erklärte, Sie seien in der Sitzung.«
    Das, was in seinen Mundwinkeln zuckte, sah fast nach ei nem Lächeln aus. »Lisa, ich wollte Sie fragen, ob Sie mit mir nach dem Training irgendwo … irgendwo was trinken gehen.«
    »Aber gern!«
    »Wir haben da wohl eine Kleinigkeit zu besprechen, denke ich.«
    Ich lächelte ihn an. »Ich für meinen Teil hätte es charman ter gefunden, wenn Sie mich einladen, ohne einen weiteren Grund dafür zu nennen.«
    »Von einer Einladung war nicht die Rede!«, antwortete er.
    Ich lachte. Oh, der Schwabe! Als Balinger Pietist hatte Richard Weber verinnerlicht, dass man zu Geld nicht kam, weil man es

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