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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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gekommen.«
    Ich schlang mir den Gürtel um den Leib und suchte nach dem Plot. »Dann ist Anette daran gestorben?«
    »Nein, hat Fritz zumindest gesagt. Aber sie wollten die medizinischen Analysen abwarten oder so. Ist ja auch egal. Fritz hat sich halt stur gestellt, weil ich mit ihm Schluss gemacht habe. Er hat’s nie ertragen, wenn man seinen eigenen Kopf hatte als Frau. Darum hat er mir wahrscheinlich das Zeug gegeben, damit ich immer angekrochen komme und mehr will. Scheiß Spiel, weißt du.«
    Oh diese Weiber! Gertrud mit Horst, Vicky mit Schiller. »Also hattest du doch was mit ihm. Und Anette?«
    »Mit der war es schon lange vorbei, hat Fritz gesagt. Sie war ihm zu dürr, glaube ich. Und zu unabhängig natürlich. Fritz hat sich immer nur an die Dicken rangemacht, weil sie so dankbar waren, dass er ihnen helfen wollte.«
    Wie schmeichelhaft!
    Ich weihte Vicky in die Kunst ein, den Gürtel richtig zu binden, und wir begaben uns in den Dojo. Verbeugung im Eingang. Katrin stand in der Ecke und nickte gnädig. Es gab auch Dojos, da kam man nach Beginn des Trainings nicht mehr rein. Japanische Disziplin stammte direkt vom Samurai ab.
    Wir reihten uns hinter dem lächelnden Schwarzgurt Wolf ein, der Schlangenlinien lief. Ein Säuseln des Telefons rief Katrin für ein paar Minuten hinaus. Noch konnte ich denken und dachte, so in Stein gemeißelt, wie Weber mich das hatte glauben machen wollen, war Katrins Alibi doch nicht. Könnte sie nicht auch am Montag ihre vier Schwarzgurte für einen kurzen Sprung ans Telefon allein gelassen haben? Wer entfaltete bei Einbeinhüpfern, Bauchaufzügen und Hüftkreisen schon so viel Zeitgefühl, um fünf oder zehn Minuten zu definieren? Der Mord an Schiller war eine Sache von Sekunden gewesen.
    Als es ans Judo ging – dreißigmal eindrehen und aufladen, damit der Bewegungsablauf zum Reflex wurde –, hatte ich aufgehört zu denken.
    Zum Stand-Randori, dem Übungskampf der Würfe und Fußfeger, paarte Katrin mich wieder mit Vicky. Sie rückte mit gesenktem Kinn an, wie eine künftige Siegerin. Da dachte ich noch, es sei ein Leichtes, sie zu werfen. Ich schnappte sie am Kragen, haschte nach dem Ärmel, machte ein Störmanöver mit den Füßen, ließ sie zurückweichen, ging in sie rein, hakte die Ferse hinter ihren Fuß und … konnte nicht. Ich hätte nur durchzuziehen brauchen, um sie auf den Rücken zu hauen, aber ich roch Weichspüler und hörte knackende Knochen. Vicky spürte nicht, dass hier höhere Komplexe walteten, nutz te den Vorteil meines inneren Abbruchs aus Angst vor ihrem Sturz und hebelte mich um.
    Katrin erkannte das Problem und stellte mich Wolf gegenüber. Den konnte ich nach Herzenslust werfen. Ein Schwarz gurt fiel immer wie eine Katze. Wolf lächelte, ließ sich atta ckieren, gab sich jede Blöße, konnte aber am Ende auch nicht anders, als mich bei einem nach dem Eindrehen abgebrochenen Seoi-nage einfach hochzuheben und auf die Matte zu werfen. Mein Puls holperte im Affenzahn, als ich aufstand.
    Irgendwie so hatte mich das Weichspülermonstrum geworfen. Oder doch anders?
    Horst, dieser gelähmte Athlet, erstickte mit seiner unendlichen Bewusstlosigkeit mein ganzes Denken. Ich taumelte von einem Gegner zum nächsten, ehe Katrin ihr pädagogisches Scheitern eingestand und zu einem lockeren Bodenkampf blies, damit ich zum Ausklang der Stunde wieder Selbstvertrauen fasste.
    Es ging dann sehr schnell. Vicky warf sich auf mich, weil mir kein Angriff einfiel. Ich konnte mich gerade noch in die Bauchlage retten, bevor sie mich in die Matte plättete, zog die Ellbogen an den Leib und machte mit den Händen den Kragen dicht, damit sie mir nicht an den Hals konnte. Sie lag tonnenschwer auf meinem Rücken und vergaß auch nicht, ihre Füße unter meine Beine zu haken, damit ich sie nicht anziehen und Vicky abwerfen konnte. Dann hieb sie mir mit der Hektik, die Gelbgurten eigen ist, den Ellbogen ins Ohr, so dass ich nachgeben und den Hals aufmachen musste, rammte die Faust unter meiner Gurgel durch und auf der anderen Seite wieder hoch und klemmte mir die Luft ab.
    Für einen Würger hat man Zeit. Es dauert lange, sehr lan ge, bis man daran stirbt. Da ich mich nicht regte, ließ Vicky sich nach vorne auf meine Schultern fallen, um dem Würger Nachdruck zu verleihen. Die Nase in der Matte, die Hände unter den Körper gequetscht, unfähig, einen Ton auszustoßen, konnte ich weder abklopfen noch Stopp sagen. Vicky hatte zu wenig Erfahrung, um zu spüren, ab wann der Gegner

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