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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Signiert hatte ein Dr. Ogu mit Firmensitz in Zürich. Auf der Packung wurde die reinigende Wirkung des Präparats angepriesen, das angeblich auf Basis eines alten chinesischen Rezepts unter Berücksichtigung der neuesten Forschungsergebnisse aus Japan hergestellt wurde. Es handle sich ausschließlich um natürliche Grundstoffe aus Soja und der Ma-Huag-Pflanze, sprich Ephedra, also Ephedrin. Der Wirkstoff aus der Sojabohne nannte sich Phosphatidylcholin.
    Ich steckte die Packung in meine Jacke, rädelte Dosen mit Katzenfutter auf und versuchte, auch Senta an den Napf zu locken. Aber das Hundeelend hob nur den Kopf und klopfte unterwürfig mit dem Schwanz auf den Boden. Um Himmels willen! Sally würde mir nie verzeihen, wenn der Hund verendete, weil ich ihn im Wald überanstrengt hatte. Ich hatte derzeit wenig Glück mit der lebenden Kreatur. Aber kein Selbstmitleid bitte, schließlich litten immer nur die andern, nicht ich. Außerdem musste ich weg. Ich konnte Senta sowieso nicht beim Erholungsschlaf unterstützen.
    Die Friedenskirche schlug sechs Uhr, als ich die Werastra ße zum Stöckach hinuntereilte. Der Bunker der Staatsanwaltschaft ließ keine Informationen raus. Das Rolltor zum Hinterhofparkplatz war fest verschlossen.
    Im Treppenhaus, gleich hinter der Haustür, stolperte ich über Oma Scheibles Eimer und Schrubber, nahm die Beine unter den Arm und rannte die Treppe hinauf, ehe die Alte aus kartoffeligen Kellertiefen emportauchte. Ich packte die Judo-Tasche und bestellte ein Taxi. Die letzte Zigarette am Bordstein vor dem Training war immer unvernünftig, weil leistungsmindernd. Aber hätte ich auf Vernunft gesetzt, hätte ich an diesem Abend nicht versucht, in den Schlachthof hineinzukommen.
    Webers silbergraue Limousine stand auf dem Parkplatz. Die Fitnessfabrik klotzte gegen lila Wolken. Aus den hohen Fenstern quoll gelbes Licht. Nach der Begegnung an Horsts Bett zweifelte ich nicht, dass Gertrud das Hausverbot durchsetzen würde, das Fängele ausgesprochen hatte. Wenn ich mich hineinbrüllte, würde das nur die Polizei aufs Parkett rufen. Aber wozu gab es die Feuertreppe. Sachte betrat ich das Gestell, das um die Ecke am Gebäude klebte, und versuchte, es nicht zum Schwingen und Singen zu bringen, denn nur die Hauswand trennte mich von Fängeles Büro. Alles umsonst. Die blaue Tür im ersten Stock zur Abteilung der schweren Langhantelgeräte war luftdicht verschlossen. Kein Holzkeil erlaubte es mir hineinzuhuschen. Ich reduzierte die Hoffnung auf null, dass ein Stock weiter oben die Tür offen wäre, und kehrte um. Auf dem Parkplatz lief ich in Vicky hinein, die mit geschulterter Sporttasche dem Eingang zueilte.
    Sie spießte mich auf ihren Blick. »Was willst du?«
    »Geht’s dir wieder besser?«
    »Ja.«
    »Und dein Mann? Hat er sich wieder eingekriegt?«
    »Ja. Der kommt immer wieder.« Sie lachte widerwillig. »Der hat dich doch glatt für meinen Liebhaber gehalten.«
    »Würdest du mir einen Gefallen tun? Sei so gut und mach oben den Notausgang auf, damit ich reinkomme.«
    Ich dachte an das Hundeelend in Sallys Dachstock, als ich meinen Kopf bettelnd schief legte. Wahrscheinlich stammten wir von den Hunden ab, zumindest von Kampfbiestern, die ihre Bewaffnung im Maul trugen und einander die Kehle bo ten, wenn sie um Gnade baten. »Gertrud lässt mich nicht rein. Ich muss sie irgendwie gekränkt haben.«
    »Irgendwie?! Du bist gut.«
    Ich zog auch noch die Schultern hoch und machte mich erbärmlich.
    »Na gut. Was soll ich genau machen?«
    Ich erklärte es ihr. Sie verschwand im Eingang, und ich huschte außen die Feuertreppe wieder hinauf. Als ich oben ankam, war ich völlig außer Atem vor angestrengter Leisetreterei. Vicky hielt die Tür auf. Sie rumste hinter mir fürchterlich ins Schloss. Wir waren beide spät dran. In den Dojos raschelten und schlurften schon die nackten Sohlen über die Matten. Man lief sich warm. Im Umkleideraum riss ich mir die Jacke runter und achtete darauf, dass die grüne Schachtel Adipoclear herausschleuderte.
    Vicky bekam Stielaugen.
    Ich hob die Schachtel mit den orangefarbenen Turbostrei fen wieder auf. »Leider leer. Aber kennst du jemanden, der noch was davon hat?«
    »Wieso hast du …?« Vicky stockte und zog das Kinn an.
    »Was ist?«
    »Nichts.« Sie wandte sich beleidigt der Sporttasche zu und nuschelte: »Das war doch ein verlogenes Arschloch, dieser Fritz. Mir hat er nämlich gesagt, es gibt nichts mehr nach Anettes Tod. Und du bist erst danach

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