Gala der Herzen
Fahrweise, stieg Lissa bereits nach fünfzehn Minuten in der Tiefgarage aus und griff nach ihrer Kiste, die auf dem Rücksitz stand.
„Vielen Dank fürs Mitnehmen und Abholen. Tut mir wirklich leid, dass ich Sie habe warten lassen.“
„Kein Problem.“
Schon jetzt kämpfte James gegen ein Verlustgefühl an, das er sich selbst nicht erklären konnte. Er wollte sie nicht gehen lassen. Er wollte … er wollte mehr Zeit mit ihr verbringen. Dabei ging es ihm in diesem Moment nicht einmal ums Bett wie bisher, sobald er an Lissa dachte. Einfach nur ums Zusammensein.
Seite an Seite liefen sie zum Lift hinüber. James steckte eine Code-Karte in den dafür vorgesehenen Schlitz und tippte eine Nummer ein, ehe Lissa auch nur reagieren konnte.
„Sie sehen müde aus. Trinken wir einen Kaffee bei mir“, schlug er vor, ohne sie anzusehen.
Lissa suchte seinen Blick, schien einen Moment zu überlegen, dann seufzte sie leise. „Okay, ich könnte wirklich einen Schluck Kaffee vertragen“, gab sie nach und fragte sich insgeheim, ob sie nicht gerade einen großen Fehler beging.
Sobald sich in der obersten Etage die Tür öffnete, und zwar direkt in der großzügigen Diele des Penthouses, nahm James ihr die Kiste ab, stellte sie zur Seite und lief voran in Richtung Küche.
Lissa blieb dicht hinter ihm. Mit jedem Schritt zweifelte sie mehr an der Richtigkeit ihrer spontanen Entscheidung. Sie vermochte nicht einmal zu beurteilen, in welcher Stimmung James sich gerade befand. Spielte er wieder den Zyniker oder …?
Mit Sarkasmus und Misstrauen konnte sie auf jeden Fall besser umgehen. Das würde sie wenigstens davon abhalten, James näherzukommen. Die Art, wie er seine Jeans trug, war dazu auf keinen Fall angetan! Ebenso wenig wie das Lächeln, das er den aufgeregten Mädchen geschenkt hatte. Er war ein Charmeur, ein Don Juan, ein Herzensbrecher …
Unversehens begannen alle Alarmglocken in Lissas Hinterkopf zu schrillen. Sie müsste längst in ihrem eigenen Apartment sein, wo sie wenigstens sicher wäre. Doch James hatte sie heute netterweise gleich zweimal chauffiert, da wollte sie nicht diese harmlose Einladung einfach auszuschlagen. Ein schneller Kaffee konnte schließlich nicht schaden, oder?
Lissa blieb mitten im Wohnzimmer stehen und schaute sich neugierig um, während James in der Küche mit der Kaffeemaschine hantierte.
„Tolle Aussicht.“ Eine breite Fensterfront, die bis zum Boden reichte, bot einen fantastischen Blick über den Hafen. Das Wasser glitzerte in der Nachmittagssonne, die vom strahlend blauen Himmel schien. Der ultimativ grandioseste Sydney-View , wie sich ihn nur wenige leisten können, dachte Lissa, wandte sich um und begutachtete die Einrichtung.
Die ebenso ultimative Bleibe von Junggesellen gehobener Gehaltsklasse, lautete ihr Urteil. Helle Farben in unterschiedlichsten Schattierungen unterstrichen den edlen Glanz dunkler Designermöbel. Eine stylische und dennoch gemütliche Lounge, mit ultramodernem High-Tech-Sound-System, integriert in eine elegante Regalwand. Die schien nebenbei auch noch als Ablage für so ziemlich alles herhalten zu müssen. Bücher, CDs, DVDs, Papiere, Magazine … eine Kaffeetasse und eine zu drei Vierteln geleerte Flasche Rotwein. Ein optischer Mischmasch in Farbe und Form als einziger Hinweis auf einen kreativen Genießer, inmitten von maximalem Minimalismus …
Neugierig trat Lissa näher, um sich durch Buch-, Film- und Musiktitel einen Eindruck von James’ Geschmack zu verschaffen. Dabei zupfte sie gedankenverloren Perlenschnüre aus ihrem Haar, die ihr eines der Mädchen eingeflochten hatte.
„Nicht rausnehmen“, bat James, der plötzlich dicht hinter ihr stand. „Mir gefällt’s.“ Er reichte ihr eine Tasse Kaffee, die sie gleich an die Lippen führte, um ihr überraschtes Lächeln vor ihm zu verbergen. Dann flüchtete Lissa sich zum Fenster, weil ihr der Blick nach draußen momentan am sichersten erschien.
„Gehen Sie oft dorthin?“ James ging auch zum Fenster hinüber, aber zum anderen Ende.
„Ich war einige Male da.“
„Um Ihren kleinen Beitrag zum Thema Wohltätigkeit zu leisten?“
Lissa warf ihm einen scharfen Seitenblick zu. „Ja … möglichst große Wirkung bei möglichst geringem Einsatz.“ Ihr Sarkasmus stand seinem in nichts nach. Er hielt sie also für eine Blenderin.
„Warum gerade Atlanta House? Warum nicht krebskranke Kinder oder hungernde Menschen in Afrika, oder etwas anderes in der Art.“
Sein blanker Zynismus reizte
Weitere Kostenlose Bücher