GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
„Das darf nicht sein. Nicht Casper, bitte nicht Casper."
Casper lag in seiner eigenen Blutlache. Irgendetwas hatte seinen Oberkörper gespalten und wo vorher sein Herz gewesen war, klaffte nun ein riesiges Loch. Ich nahm vorsichtig seinen Kopf in beide Hände. Seine Augen waren geschlossen, sein
Mund schmerzverzogen. Ich legte seinen Kopf behutsam auf meinen Schoss. Um mich herum nichts als Tränen der Trauer. „Nein, das lasse ich nicht zu", wehklagte ich verzweifelt und streichelte immer wieder über sein Gesicht. Ich schüttelte meinen Kopf so stark hin und her, als ob ich diesen grauenvollen Anblick damit loswerden könnte. Irgendjemand legte mir die Hand auf die Schulter, aber ich schüttelte sie ab. Ich bemerkte, wie Tränen auf Casper heruntertropften und erkannte nicht, dass es meine eigenen waren. Ich begriff einfach nicht, warum ER sterben musste.
Warum Casper?
Warum nicht ich? Die Götter hatten kein Erbarmen.
Sollte dies unser Schicksal sein? Der Anfang vom Ende?
Nein, das dürfte nicht geschehen. Nicht so!
Wieder legte jemand seine Hand auf mich, aber ich schüttelte sie erneut ab. „Lasst mich in Ruhe. Ich werde ihn nicht gehen lassen. Ich hole ihn zurück." Ich legte meinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Ich musste in seinen Körper. Ich hatte Jeremia zurückgeholt. Casper würde ich auch nicht sterben lassen. Ich senkte wieder meinen Kopf und versuchte mich zu konzentrieren.
Nur du kannst ihn wieder zurückholen, sagte ich mir in einer Endlosschleife. Nachdem ich meinen Verstand etwas unter Kontrolle hatte, und mein Atem gleichmäßig ging, spürte ich schon, wie sich meine Seele von meinem Körper löste und in Casper eindrang.
27. Kapitel
„Was geschieht hier?" Jeremia schaute in die weinenden Gesichter und wieder zu Isma, die wie leblos zu Boden gesackt war. Jeder schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein und ignorierte seine Frage. Der Tod ihres Bruders war für sie ein großer Schock. Jeremia fühlte mit ihnen. Er kannte den Schmerz, jemanden zu verlieren. Auch wenn er selbst nun seine Schwester wiedergefunden hatte, war seine Mutter immer noch tot. Er hatte ihren Tod und auch seine totgeglaubte Schwester sein ganzes Leben lang betrauert. Und auch heute schmerzte die Erinnerung.
Casper war ein sehr freundlicher, angenehmer, stiller junger Mann gewesen, der einen starken Willen zeigte, als Jeremia ihn in seine Truppe aufgenommen hatte.
Dass es so für Casper enden sollte, hatte er nicht gewollt.
Er erinnerte sich an das Versprechen, welches er Ismas Mutter gegeben hatte, als sich ihre Söhne für den Krieg registrieren ließen. ,Ich werde ihre Söhne wieder heil nach Hause bringen', hatte er ihr versprochen.
Diese Worte hallten in seinem Kopf wider. Jetzt fragte er sich, wie er so ein Versprechen überhaupt hatte geben können. Für jeden seiner Krieger war er verantwortlich, auch wenn es in einem Krieg unmöglich erschien, einen Krieger zu beschützen. So Tote und das Ende war noch nicht in Sicht.
Ismas Schmerz übertrug sich auf ihn und schnürte ihm die Kehle zu. Sie trösten, sie fest in die Arme schließen oder am liebsten alles ungeschehen machen. Leider lag es nicht in seiner Macht, und diese Tatsache machte ihn nur noch wütender. Wütend auf sich selber, da er ihr nicht helfen konnte. Wütend auf Netan, dem er Rache und Vergeltung schwor. Nicht nur für den Tod seiner Mutter oder für das, was er seiner Schwester ange-tan hatte, sondern auch für das Leid, welches er Isma und ihrer Familie zugefügt hatte.
Isma hatte sich über Casper gebeugt. Sie schrie, weinte, begann wirres Zeug zu faseln, dass sie ihn wiederholen würde, und einen kurzen Augenblick später sackte sie in sich zusammen. Im ersten Moment glaubte er, sie hätte ihr Bewusstsein verloren, aber das Verhalten ihrer Brüder machte ihn stutzig. Sie blieben reglos vor ihr sitzen. Er versuchte in den Blicken der Brüder zu lesen, was vor sich ging, aber sie fixierten nur den toten Casper und die ohnmächtige Isma.
„Was geschieht hier?" Endlich fand er seine Stimme wieder und wiederholte seine Frage. Sie klang rau und leise, als wäre sie nicht seine eigene.
Jazem blickte ihn an. „Ich glaube, sie hat sich von ihrem Körper gelöst."
Jeremia erlebte erstmals wie Isma das tat. Regungslos lag ihr Körper leicht auf Caspers gelehnt. „Warum?" Jeremia verstand den Grund nicht, denn wo wollte sie hin?
„Keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Ich bin besorgt und hoffe, dass sie nichts
Weitere Kostenlose Bücher