GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
Zeit sollte neu entschieden werden, wer das Territorium zukünftig regieren würde.
Heute Abend sollte ein großes Festmahl stattfinden, bei dem feierlich öffentlich bekannt gegeben werden sollte, dass Inonte als neuer Herrscher gewählt wurde.
Jeremia freute sich sichtlich auf ein gutes Essen und die Unterhaltung mit seinen Freunden. Es lag noch viel Kummer und Trauer an diesem Ort, aber er hoffte auf ein wenig Ablenkung und einen guten Abschluss, bevor sie dieses Territorium verlassen würden. Er wollte dieses Fest nutzen, um endlich Charisma von ihren Brüdern zu trennen und sich dann heimlich mit ihr aus dem Staub machen, damit sie endlich ein wenig alleine sein konnten. Während er am Fenster stand und die Dunkelheit willkommen hieß, schweiften seine Gedanken wiederholt zu Charisma. Er konnte es einfach nicht glauben, dass dieses bezaubernde Wesen zu ihm gehörte. Jedes Mal, wenn er ihr auf dem Gang begegnete oder sie beim Essen am Tisch neben sich sitzen hatte, spürte er die Anziehungskraft und das große Verlangen, sie sofort zu berühren. Er konnte einfach nicht seine Augen von ihr wenden. Sie zog ihn magisch an, und er war ihr bedingungslos ausgeliefert. Aber es war immer einer ihrer Brüder in der Nähe, der ihn genau beobachtete. Zwar wussten sie, dass ihre Schwester jetzt zu ihm gehörte, doch sie erwarteten trotzdem Anstand und Benehmen. Jeremia verstand sie, und er wollte nicht, dass sie ein falsches Bild von ihm bekamen.
Doch heute Abend würde er sie für sich ganz alleine haben.
Es wurde Zeit, sich umzuziehen. Er verließ den Raum mit einem Lächeln auf den Lippen. Ja, heute Abend würde er sie ganz für sich alleine haben.
Calena hockte mir auf dem Bett gegenüber, als wir darüber sprachen, was wir heute Abend anziehen. In einer Stunde sollte das Festmahl beginnen.
Dank Jeremia hatte sich in Capan einiges geändert. Auch die Capitaner waren jetzt bereit, ihm zu folgen. Nie hätte ich es für möglich gehalten, überhaupt in Erwägung zu ziehen, dass man mit ihnen ein normales Gespräch führen konnte, aber gestern wurde ich eines Besseren belehrt. Meine Wut auf die Capitaner war immer noch groß. Sie hatten das Leben vieler Menschen auf dem Gewissen und auch das meines Bruders, der nun einbalsamiert und in Tücher gehüllt unten in einem Séparée lag.
Ich traf Inonte auf dem Flur. Das erste, was mir an dem Master auffiel, waren seine Augen. Sie strahlten in einem dunklen Kupferbraun, wirkten warm und freundlich. Das hatte mich verunsichert. Ich wollte schnell an ihm vorbei, aber er sprach mich direkt an. Seine Worte überschlugen sich. Er bat um Vergebung, da er gehört hatte, was meinem kleinen Bruder widerfahren war. Er erklärte mir, dass sein Volk nicht immer so brutal gewesen war. Nachdem Netan die Herrschaft über Capan erlangte, änderte sich schlagartig der Charakter seines Volkes. Hass schnürte sich um ihre Herzen, und sie waren voller Wut und Gewalt. Er konnte sich nicht erklären, warum sie alle so gefühlt hatten. Nun, nach dem Tod von Netan war die barbarische Grausamkeit verschwunden, als ob Netan sie mit in den Tod genommen hätte. Ein seltsames Gefühl beschlich mich, und ich musste an den schwarzen Nebel denken, der aus Netan entwichen war, als er starb. Ich dachte, meine Erschöpfung hätte meine Wahrnehmung getrübt. Dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los. Während Inonte immer noch auf mich einredete, betrachtete ich ihn näher. Sie waren wirklich ein hässliches Volk, mit dieser Behaarung und den Reißzähnen, aber der äußerliche Eindruck gab nicht ihr Inneres preis. Immer mehr vermutete ich, es gäbe eine teuflische Macht, die von ihnen Besitz genommen hatte. Wäre das möglich? Eigentlich ahnte ich die Antwort längst, denn in den letzten Wochen hatte ich so Vieles erfahren, von dem ich noch nie gehört hatte, geschweige denn gesehen. Ich war eine Seelenwanderin, und es gab die Seherinnen und die Schleierwesen. Wer weiß, welche Wesen sich noch versteckt hielten?
Unerwartet kniete sich Inonte demütig vor mir nieder. Ich schaute überrascht auf ihn herab. Er erklärte mir, dass ich nun seine Herrscherin wäre, und dass ich ihn bestrafen möge. Er war der Master und das ganze Leid, das die Capitaner über uns gebracht hatten, geschah unter seiner Verantwortung. Er wollte die Schuld auf sich nehmen, und sollte seine Bestrafung der Tod sein, wollte er es erdulden. Inonte bat mich, ihn, aber nicht sein Volk zu bestrafen. Sie hätten nur seine Befehle
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