GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
Haus verließen, ohne darauf hinzuweisen, dass wir uns verstecken mussten. Also ließen wir die Schlafräume und die Wohnräume in einem bewohnten Zustand, so als wären wir nur kurz in die Stadt gefahren.
Als wir damit fertig waren, saßen wir wieder in der Küche. Mutter bereitete das Abendessen vor.
„Heute Nacht schleichen wir uns in den Wald und bringen die Sachen fort", sagte Vater.
„Keleb, wer wird dir helfen?", wollte Tante Lana wissen.
„Ich gehe mit Brasne und Aaron. Isma muss auf ihrem Zimmer bleiben, denn wenn sie in unserer Nähe ist, könnte der Wanderer auch dort sein und uns verraten. Dieses Risiko dürfen wir nicht eingehen. Verstehst du das, Isma?"
Ich nickte. Natürlich verstand ich das, aber ich würde auf einer anderen Weise helfen. Wenn ich alleine auf meinem Zimmer wäre, würde ich zu dem Wanderer gehen.
„Könnte es denn nicht sein, dass er uns jetzt schon beobachtet?", warf Aaron ein.
Wir schauten uns erschrocken an. Das hatte natürlich keiner bedacht. Wenn es so war, dann war alles umsonst.
Ich sprang auf. „Ich gehe sofort in mein Zimmer. Ich muss herausfinden, ob er etwas weiß."
Ich rannte die Treppe rauf in mein Zimmer, ließ mich aufs Bett fallen, atmete tief ein und konzentrierte mich. Meine innere Unruhe war wieder mal ein Hindernis. Ich musste lernen, meinen Körper und meinen Geist zu beruhigen. Es war kein leichtes Vorhaben. So viel war passiert, dass es mir schwer fiel, einen klaren Kopf zu behalten. „Komm Isma, konzentriere dich. Denk an etwas Schönes", redete ich laut mit mir selbst.
Ich dachte an Jeremia und wie unser Leben hätte sein können. Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt einzuschlafen, aber ich wurde auf einmal müde. Mein Körper fühlte sich schwer und erschöpft an und langsam entspannte ich mich. Bevor ich die Augen schloss, schob ich die schönen Gedanken an Jeremia fort und mein letzter Gedanke galt dem Wanderer. Dann schlief ich ein.
In einem kleinen Zimmer, mit einem großen Bett und einem Holzstuhl wachte mein Geist auf. Auf dem Bett saßen zwei Mädchen, die in Lumpen gekleidet waren. Beide waren viel zu jung. Sie umarmten sich schützend, und die Ältere erzählte gerade eine Gute-Nacht-Geschichte. Dieser Anblick stimmte mich sehr traurig. In ihren Gesichtern spiegelten sich Sorgenfalten wider, als ob ihnen etwas Schlimmes widerfahren sein musste. Sie waren verdreckt und ihre Haare hingen strähnig und glanzlos herab. Was mochten sie erlebt haben, und was machte ich hier? Eigentlich wollte ich dem Wanderer begegnen. Und dann öffnete sich links von mir eine Tür und der junge Mann, den ich als Wanderer wiedererkannte, betrat das Zimmer.
Die Mädchen strahlten glücklich, als sie ihn erblickten.
„Jason, erzähl du uns eine Geschichte“, bat das jüngere Kind.
Jason hieß er also.
Er lächelte und setzte sich zu den Mädchen. Dann streichelte er ihnen zärtlich über die Wangen.
„Julien, erzählt dir doch gerade eine Gute-Nacht-Geschichte“, antwortete er.
„Ja, aber du kannst viel besser erzählen, so wie Mama das immer gemacht hat, du weißt schon.“
Es waren seine Schwestern. Langsam verstand ich.
„Dann mach mal Platz. Ich erzähle euch die Geschichte der jungen Auren, die am Fluss lebten.“
Sofort rückten die zwei Mädchen enger zusammen. Er streifte sie Schuhe ab, setzte sich zwischen sie und streckte gemütlich seine Beine auf dem Bett aus. Die Kleinere umarmte ihren Bruder und legte vertrauensvoll ihren Kopf auf seine Brust.
„Macht die Augen zu und schlaft, denn heute muss ich noch auf Wanderschaft gehen. Netan erwartet Informationen.“
Bei dem Namen „Netan“ zuckten die beiden unwillkürlich zusammen. Sie hatten sichtlich Angst vor ihm, große Angst.
Was hatte dieses Monster ihnen angetan?
„Elena, jetzt wird geschlafen, versprochen?“
Die Kleine namens Elena schaute nach oben in das Gesicht ihres Bruders und lächelte zustimmend. Der Wanderer beugte sich vor und gab der kleinen Elena einen Kuss auf die Stirn. Zufrieden kuschelte sie sich an ihren Bruder, und er begann zu erzählen.
Eine Weile beobachtete ich ihn und fand nichts Bedrohliches an ihm. Er liebte seine Schwestern, das sah ich und mein Unbehagen seinetwegen verschwand.
Wegen seiner Gabe war er hierhergekommen. Netan benutzte ihn.
Ich verstand jetzt, warum er Jeremia und mich verraten hatte. Er tat es für seine kleinen Schwestern. Ich konnte ihn plötzlich verstehen.
Näher heran gerückt, schaute ich mir den jungen Mann genauer
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