Galaxis Science Fiction Bd. 03
Aminosäuremoleküle zu einem Proteinmolekül zusammenfügen können. Und die Woche darauf wird man dann eine lebende Zelle schaffen können.
Aber wir wollen einmal annehmen, daß es jemand wirklich gelingt, eine lebende Zelle zu bekommen, indem er die damaligen Bedingungen der Erdumwelt im Laboratorium künstlich herstellt. Es gäbe dann zwei Möglichkeiten:
Diese lebende Zelle entstand auf dieselbe Weise wie die Aminosäuren. In, diesem Falle wäre das Geheimnis des Lebens immer noch ungelöst, denn alles, was wir dann wüßten, wäre, daß es eben geschehen ist – zugegebenermaßen ein großer Fortschritt in unseren Erkenntnissen –, aber die Frage nach dem Wie und Warum würde immer noch bestehen.
Der Experimentator kannte alle betreffenden Faktoren im voraus. In diesem Falle wäre das geglückte Experiment der Beweis für eine scharfsinnige und vermutlich äußerst komplizierte Theorie der Entstehung des Lebens. Und von hier aus ließe sich möglicherweise erfolgreich weiterarbeiten.
ABER wir besitzen nach keine solche Theorie von der Entstehung des Lebens. Trotz der enormen Forscherarbeit, die während der letzten siebzig oder achtzig Jahre geleistet wurde, fällt es uns sogar noch schwer, den Begriff Leben überhaupt präzis zu definieren. Anfangs hatte man es mit einer Theorie versucht, die das Leben als rein chemischen Prozeß erklären wollte.
Längere Zeit danach war man dann der Meinung, daß nicht die chemische Natur des Lebens, sondern seine chemischen und physikalischen Verhaltensweisen der Hauptunterschied zwischen lebender und toter Materie sei.
Ein beliebtes Beispiel für diese Auffassung war ein gewöhnliches Ei, oder besser, zwei davon – ein unbefruchtetes und ein befruchtetes. Chemisch waren sie offensichtlich gleich, doch eines entwickelte sich zu einem neuen Lebewesen, während das andere nach einiger Zeit verfaulte. Und wenn jemand mit diesem Beweis nicht zufrieden war und sagte, daß eben die Befruchtung eine chemische Änderung hervorgerufen haben mußte, konnten die Forscher auf ein paar ziemlich unglaubliche Dinge verweisen, die sie mit Eiern – wenn auch nicht gerade Hühnereiern – angestellt hatten.
Denn die Eier des Seeigels konnten befruchtet werden, indem man sie unter Wasser mit einer mittelharten Bürste massierte oder indem man sie mit einer feinen Nadel anstach – vorsichtig, natürlich. Dasselbe Verfahren zeitigte auch Erfolge bei Schmetterlingseiern. Ein solcher Versuch konnte nur eines bedeuten: irgendeine unbekannte Substanz wurde von den äußeren Schichten des Eies in die inneren gedrückt, und das Resultat war eine Befruchtung, ohne daß sich die chemische Struktur des Ganzen irgendwie veränderte.
Nun gut. Wie also unterscheidet sich lebende von toter Materie? Vor allen Dingen dadurch, daß es Nahrung aufnimmt und wächst, indem es sich Substanzen von außerhalb zuführt. Aber auch Kristalle wachsen, doch müssen sie in einer Lösung stehen, die aus dem gleichen chemischen Stoff wie ihr Körper besteht. Lebende Zellen dagegen können die verschiedensten Stoffe aufnehmen und verwerten.
Jedoch die Definition des Lebens nach den Verhaltungsweisen – so gut sie gemeint war – konnte nicht präzis genug formuliert werden, um annehmbar zu sein. Eine viel jüngere Erklärung arbeitet zwar auch mit Verhaltensweisen, sie formuliert sie aber anders – doch eigentlich genauso unvollkommen. In kurzen Worten behauptet sie ungefähr folgendes:
Ein Stück Fleisch ist Protein. Ein Tier ebenfalls. Lege nun beide auf ein Brett und beginne, das Brett zu kippen. Das Fleisch wird dem Zug der Schwerkraft folgen und herunterrutschen. Das Tier aber wird um sein Gleichgewicht kämpfen. Vielleicht erfolglos, aber zumindest wird es den Versuch machen.
Vielleicht sehen Sie jetzt, wie schwierig es ist, eine Grundformel für den Begriff des Lebens zu finden. Aber das beweißt nur, was für ein verwirrendes Problem das Leben an sich ist, und daß man es zwar von vielen Seiten her angehen kann, wobei es sich aber trotzdem einer präzisen Definition immer noch entzieht.
WIR haben bereits weiter oben eine Parallele zwischen toter Materie und lebendigen Stoffen kennengelernt. Ein Kristall kann wie eine lebende Zelle wachsen, wenn auch nur, wenn er dieselben Chemikalien zur Verfügung hat, aus denen sein Körper besteht. Und hatte nicht Dr. Wendell M. Stanley vom Rockefeller Institute for Medical Resarch in Princeton vor anderthalb Jahrzehnten die Grenze zwischen diesen beiden
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