Galaxis Science Fiction Bd. 03
Zuständen überschritten, als er ein Virus der Tabakmosaikkrankheit kristallisierte, ohne es dabei abzutöten?
Die Viruskristalle, die er hergestellt hatte, reagierten auf alle Testversuche wie tote Materie. Aber als man sie dann später auf die Blätter einer Tabakpflanze brachte, verursachten sie die Mosaikkrankheit, als wären sie überhaupt keiner Formveränderung unterworfen worden.
Verständlicherweise kam man zu dem Schluß, daß also die Viren – nicht nur das Tabakmosaikvirus – in das Grenzland zwischen Leben und Tod gehören. Seitdem haben wir allerdings noch einige wichtige Erkenntnisse über die Viren im allgemeinen gewonnen. Neben der Tatsache, daß sie viel kleiner als die Bakterien sind, unterscheiden sie sich von diesen auch noch dadurch, daß sie in ihren Bedürfnissen viel spezialisierter sind. Eine Bakterie kann sowohl in einer Wirtszelle als auch außerhalb einer solchen leben. Ein Virus dagegen braucht auf jeden Fall eine lebende Zelle, damit es leben kann. In dieser Hinsicht erinnert es an die Kristalle, die auch nur inmitten einer ganz bestimmten Umgebung wachsen können.
Jetzt erhebt sich also die Frage: Ist ein Virus wirklich so ein Grenzfall zwischen lebender und toter Materie, eine noch nicht ganz gefertigte Form des Lebens, die noch nicht bis zu der Anpassungsfähigkeit wirklichen Lebens fortgeschritten ist? Oder ist ein Virus nur ein degenerierter Parasit, der – wie weit größere und komplizierter gebaute Parasiten einer höheren Entwicklungsstufe – den größten Teil seiner einmal vorhandenen Anpassungsfähigkeit verloren hat zugunsten des offenbar bequemeren Lebens eines Parasiten?
Wir wissen es noch nicht. Beides kann der Fall sein. Und mit dieser unbefriedigenden Antwort muß leider diese kleine Abschweifung enden. Wenn, wir solche Fragen wie nach dem Grenzgebiet zwischen Tod und Leben beantworten sollen, müssen wir leider sagen, daß unser Wissen bis heute einfach noch nicht umfangreich genug ist, um etwas Endgültiges sagen zu können.
Und das Chicago-Experiment?
Es hat die Vermutung untermauert, daß das Leben auf der Erde völlig unabhängig von äußeren Einflüssen entstanden sein könnte. Und es hat einen neuen vielversprechenden Weg für zukünftige Forschungen aufgezeigt.
Die Zukunft wird zeigen, ob eine Weiterentwicklung dieses dramatischen Experiments uns das Wesen des Lebens besser verstehen läßt. Wenn wir erst einmal wissen, was Leben eigentlich ist, könnte die Erschaffung künstlichen Lebens vielleicht in den Bereich des Möglichen rücken. Über künstliche Aminosäuren, Proteine, Proteinmoleküle, eine Zelle und später ganze Zellgruppen könnten wir dann vielleicht fortschreiten bis zu einem synthetischen Menschen, dem Androiden der Science Fiction. Aber die künstliche Herstellung von Aminosäuren ist nur ein kleiner Schritt auf diesem langen und schwierigen Weg. Das Experiment hat gezeigt, daß es vermutlich getan werden kann. Wenn allerdings künstliches Leben einmal erzeugt werden kann, dann wird dieser Prozeß nur die Bestätigung einer vorher geschaffenen Theorie sein. Denn wir brauchen zuerst eine Theorie. Erst dann können wir mit einiger Bestimmtheit sagen, ob künstliches Leben überhaupt möglich ist. Bis dahin bleibt uns nur die Spekulation über eine eventuelle Möglichkeit, wobei ich nicht leugnen möchte, daß sich vielversprechende Ausblicke eröffnen.
KINDER DES MARS
(Teil I)
CYRIL JUDD
(Illustriert von WILLER)
Nicht die Bilderbuchhelden sind es, die neues Land erobern, sondern Männer und Frauen, die fest entschlossen sind, in zäher Arbeit einen gemeinsamen Traum zu verwirklichen .
UM 3 Uhr 37 nachmittags rückte Dr. Tony Hellman die winzige Sauerstoffmaske über dem roten Knubbelnäschen des gerade geborenen Babys zurecht, trocknete behutsam seinen kleinen Körper ab, hüllte es in weiche Tücher und legte das jüngste Mitglied der Sun Lake-Kolonie der glücklich lächelnden Mutter in den Arm. Polly wollte noch wach bleiben, um ihr so lange ersehntes Baby zu bewundern, aber er mußte sie enttäuschen. Er spritzte ihr ein starkes Schlafmittel ein und beschloß, ihr – auch gleich noch die OxEn Pille für den morgigen Tag zu geben, in der Hoffnung, daß sie vielleicht bis dahin durchschlafen würde.
Erst seit der Entwicklung der zauberkräftigen rosa Kügelchen, die das sogenannte Oxygen Enzym enthielten, war es den Menschen möglich geworden, auch in der dünnen Luft des Mars ein normales Leben zu
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