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Galaxis Science Fiction Bd. 04

Galaxis Science Fiction Bd. 04

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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sich, uns auf dem Schirm zeigte.
    Marins Augen waren flinker als meine. »In der zweiten Reihe, der dritte – nein – der vierte von rechts«, sagte er mit belegter Stimme. »Ist er das?«
    Ich zählte nach. Ich brauchte das Foto, das wir aus einem alten Magazin herausgerissen und an die Wand geheftet hatten, nicht noch einmal zu Rate zu ziehen. Ja, er war es, ein junger hagerer Mann in einer seltsam unbequemen Uniform mit einem runden steifen Hut. Seine Augen blickten grübelnd durch die Anwesenden hindurch in irgendwelche fernen Gedankenbereiche. Noch hatte er keine Pfeife, keine Geige, kein buschiges weißes Haar.
    Er würde sie niemals haben.
    FAST eine halbe Stunde mußten wir warten, bis Lee endlich seinen Reaktor auf volle Ladung gebracht hatte. Marin blieb vor dem Schirm hocken, obwohl er die Kontrollen eingerastet hatte und es im Augenblick für ihn nichts mehr zu tun gab. Ich jedenfalls lief rastlos auf und ab, wie ein Mann mit fünf mutierten Generationen hinter sich, dessen Frau gerade ihr erstes Kind erwartet.
    Als ich wieder zu Marin trat, sagte er: »Jom, ich kann es nicht tun.«
    Lee arbeitete ungerührt weiter. Auch wenn er Marins Worte gehört haben sollte, so ließ er es sich doch nicht anmerken.
    Ich sagte ärgerlich: »Sei kein Idiot!« Vielleicht war ich so ärgerlich, weil mir in meiner Haut ebenfalls nicht wohl war. Man hatte uns schließlich in einer Anschauung großgezogen, die das menschliche Leben als das kostbarste Gut auf der ganzen Erde ansah.
    Marin zitterte unbeherrscht. Ich verfluchte mich selbst, daß ich ihn gerade zu diesem Zeitpunkt so lange allein gelassen hatte, lange genug jedenfalls, daß er sich in seinen jetzigen Zustand hatte hineinsteigern können. »Wenn wir nur in der Zeit reisen konnten.«
    »Das Reisen in der Zeit ist unmöglich. Es ist völlig zwecklos, darüber nachzudenken.«
    »Aber wir können doch nicht einfach einen unschuldigen Menschen umbringen.«
    »Und warum nicht?« Er explodierte. »Das größte Genie der theoretischen Physik, das jemals gelebt hat. Ein harmloser, friedlicher Mann, der niemals jemand ein Leid getan hat.«
    So nachdrücklich, wie ich nur konnte, sagte ich: »Zwei Milliarden Tote, Marin. Drei Kontinente in Schutt und Asche und für lange Zeit unbewohnbar. Und jeder noch lebende Mensch mutierend. Wieviel Brüder und Schwestern hast du gehabt?«
    Er krümmte sich. »Keine, die noch am Leben sind«, gab er zu. »Aber Einstein selbst hat doch damit nichts zu tun gehabt. Die Bomben haben andere gebaut.«
    »Nachdem er ihnen gezeigt hatte, wie sie es anstellen müßten. Nein, Marin, die Welt wußte genau, was ihr bevorstand. Schau dir die Bücher an, die übriggeblieben sind. Lies doch nach, wieviel Warnungen darin stehen, Warnungen vor den Schrekken eines Atomkrieges und vor den Schrecken, die nach diesem Krieg kommen würden. Die Warner hatten recht – oder? Und trotzdem – als erst einmal die Theorie bekannt war, gab es keine Möglichkeit, zu verhindern, daß sie in die Praxis umgesetzt wurde. Es gab schon immer Kriege, Marin, und es wird vielleicht immer Kriege geben. Aber das läßt sich noch ertragen, wenn darin nur ein unbedeutender Bruchteil der menschlichen Bevölkerung getötet wird. Doch worin ganze Völker hinweggefegt und ausgelöscht werden, dann ist das schlimm, sehr schlimm.«
    Lee rief mir zu – so ruhig, als befände er sich immer noch im Labor der Universität: »Ich bin fertig, Jom.«
    Einen Augenblick lang sahen Marin und ich uns in dir Augen. Ich sah auch den Widerwillen und den Ekel, der in den seinen stand.
    »Nun?« verlangte ich mit kalter Stimme.
    ES mußte Marin sein, der die Kontrollen bediente. Er war derjenige, der das ganze Gerät entworfen und entwickelt hatte. 
    Ich hätte zwar Lausanne auch finden können, aber es würde mir bestimmt nicht gelingen, die Kräfte des Zeitbinders so genau auf den winzigen Raum innerhalb eines menschlichen Gehirns bündeln zu können, wie es erforderlich war, um das tun zu können, was wir tun mußten.
    Wenn Zeitreisen möglich gewesen wäre – ja, Marin hatte recht –, dann hätten wir zu dem jungen. Mann gehen können, wir hätten uns mit ihm auseinandersetzen und ihm gut zureden können und, wenn das nichts genützt hätte, ihn vielleicht sogar in die Zukunft entführen können. Aber eine Reise in der Zeit ist ein Widerspruch in sich selbst. Die große Materie hat ihren festen Platz in der Zeit und kann diesen Platz unter keinen Umständen verlassen.
    Aber die K-Mesonen,

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