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Galaxis Science Fiction Bd. 09

Galaxis Science Fiction Bd. 09

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 09 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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gefaßt hatten – einschließlich des einen, durch den er sich selbst etwas vorgaukeln und so seine geistige Zurechnungsfähigkeit behalten konnte. Denn mehr und mehr der unsterblichen Mutationen traten auf, und einmal würde der Tag kommen, an dem die menschliche Rasse allen Raum gebrauchen konnte, auf den sie nur ihre Hände legen konnte.
    Und es waren diese unsterblichen Mutanten, die die Schlüsselpersonen im Kolonisationsprogramm bildeten. Sie fuhren aus als die Stammväter neuer Geschlechter, als Aufseher neuer Kolonien, blieben dort so lange, wie sie gebraucht wurden als eine Art letzte Instanz und allwissende Berater, bis die Kolonie endlich auf eigenen Füßen stehen konnte.
    Arbeitsreiche Jahre würden vor ihm liegen, das wußte er, in denen er Vater sein würde und Proktor, Richter und Weiser und Verwalter eines neugeborenen Stammes.
    Er zog seine Hosen hoch, schlüpfte in die Schuhe, stand auf, um die Hemdzipfel in die Hose zu stecken. Und einer alten Gewohnheit folgend wandte er sich dem Spiegel zu.
    Und der Spiegel war da.
    Verblüfft stand er da, starrte mit offenem Mund sein Spiegelbild an.
    Es war nicht wahr! Es konnte nicht wahr sein! Die Roboter hatten das Dimensino abmontiert.
    Und trotzdem war es noch in ihm, lauerte in seinem Hirn. Es befand sich nur um die Ecke. Er konnte es suchen und finden.
    Er versuchte es, und es war leicht. Der Raum verwandelte sich, so wie er ihn noch in Erinnerung hatte – der große Spiegel und das massive Bett, die Lehnstühle, die dicken Teppiche und die kleine Bar und die geschmackvollen Gardinen.
    Er versuchte, das Bild wieder verschwinden zu lassen. Kaum erinnerte er sich noch, daß er das tun mußte.
    Aber es wollte nicht verschwinden.
    Er versuchte und versuchte es wieder, und es war immer noch da, und er fühlte die Willensanstrengung, es aus seinem Bewußtsein zu verbannen.
    »Nein!« schrie er voller Entsetzen auf, und das Entsetzen brachte ihn in die Wirklichkeit zurück.
    Er befand sich wieder in dem kleinen kahlen Zimmer.
    Er atmete schwer, als hätte er gerade einen steilen Hügel erstiegen. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, seine Zähne fest zusammengebissen, und er spürte, wie Schweiß seine Rippen hinunterlief.
    Es würde so leicht sein, dachte er, so leicht und so angenehm, wieder zurück in die alte Geborgenheit zu schlüpfen, zurück zu der warmen, tiefen Freundschaft, zu dem Mangel eines drückenden Zwanges.
    Aber er konnte es nicht erlauben, denn er hatte eine Arbeit zu tun. Und wenn sie auch bitter schmeckte, nüchtern war und öde, so war sie doch etwas, was er tun mußte. Denn das hier war mehr als nur eine neue Kolonie. Es war der Durchbruch, das sichere und gewisse Wissen, das bewiesene Wissen, daß der Mensch nicht länger mein an Zeit und Entfernung gekettet war.
    Nebenwirkung, so fragte er sich, oder nur eine einfache Sache des Lernens? Denn das Dimensino war nichts weiter als eine Hilfe für den menschlichen Geist – eine Hilfe zu einem sehr seltsamen Zweck, die Hervorrufung kontrollierter Halluzinationen auf der Bewußtseinsebene der Wunsch-Vorstellungen.
    Nach hundert Jahren hatte der menschliche Verstand vielleicht seine Lektion so gut gelernt, daß das Dimensino gar nicht mehr dazu nötig war.
    Das war etwas, woran er hätte früher denken müssen, schalt er sich. Er hatte lange Spaziergänge unternommen, und in allen jenen einsamen Stunden war die Illusion nicht verblaßt. Der plötzliche Schock von Schweigen und Leere – da, wo er Gelächter und ein warmes Willkommen erwartet hatte, war nötig gewesen, um den Nebel der Illusion zu verscheuchen, in dem er Jahre und Jahre geschritten war. Und selbst jetzt noch lauerte es – ein anerzogener Reflex – hinter jedem Busch, um ihn anzufallen.
    Wie lange würde es dauern, bis er diese Fähigkeit der Rückerinnerung verlieren würde? Was konnte er tun, um die Illusion endgültig auszulöschen? Wie vergißt man eine Sache, auf die zu lernen man ein Jahrhundert verwendet hatte? Wie gefährlich war sie überhaupt – war es notwendig, sich bewußt darauf zu konzentrieren, oder konnte man einfach wieder hineinschlüpfen aus unfreiwilliger Angst vor der bedrückenden Wirklichkeit?
    Er mußte die Roboter warnen. Er mußte es mit ihnen besprechen. Irgendeine Notmaßnahme mußte gefunden werden, um ihn gegen den Wunsch oder den Drang zu schützen, irgendein Notbehelf ersonnen werden, um ihn zu retten, sollte er wieder zurück in die alte Illusion verfallen.
    Obwohl, so dachte er, es so

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