Galaxy Tunes®: Roman (German Edition)
noch auf der Lehne – ein Stück zurückgesetzt, sodass mein Cousin sein Gesicht nicht sehen konnte. Anscheinend nutzte der Vogel diesen Umstand aus, als er meinen Blick suchte und verschwörerisch zwinkerte. Jetzt wurde es mir endgültig zu viel. Ich schaute weg und versuchte, es als Kunststückchen aus dem Papageienstandardrepertoire abzutun, als hätte er »Hallo« gesagt oder das Klingeln eines Telefons imitiert. Schließlich kann jeder Papagei zwinkern, nicht wahr? Auch verschwörerisch. Passend zum Gespräch. Nicht wahr?
»Ähm … du hast doch nicht etwa eine Erkältung , oder?« Pugwash rückte instinktiv ein wenig von mir ab – und er hatte guten Grund, sich Sorgen zu machen. Immer wenn jemand in unserer Familie krank war, hatten sich alle anderen nach wenigen Minuten angesteckt. Bis zum heutigen Tag können Pugwash und ich eine Erkältung austauschen, hin und zurück, indem wir einfach nur in einem Raum aneinander vorbeigehen.
»Schuldig im Sinne der Anklage«, bestätigte ich. »Spätestens um Mitternacht wirst du dich zu Tode niesen.« Ich wagte einen zweiten Blick auf den Papagei. Der kleine Scheißer zwinkerte noch einmal.
»Nun, als guter Cousin habe ich dir zu deinem Geburtstag etwas anderes als eine Krankheit mitgebracht.« Pugwash zog ein seltsam geformtes Feuerzeug aus einer Tasche seiner stinkvornehmen Kaschmirjacke. Das Ding war bauchig, fast kugelrund. »Ich habe es letzte Woche in Pahra khwai aufgelesen.« Er sprach das vorletzte Wort aus, als würde er mit Marmelade gurgeln.
»Paraguay«, korrigierte ich ihn. Als Reisesüchtiger bucht mein Cousin ständig schnelle und billige Trips, wobei ihm kein Ziel zu abwegig ist. Aber Paraguay? Langsam schienen ihm die Länder auszugehen, die er noch nicht besucht hatte.
»Ja. Pahra khwai «, wiederholte er mit noch krasserem Gurgeln. Pugwash kann es nicht lassen, lateinamerikanische Bezeichnungen zu benutzen, ohne sie nach armseliger Gringo-Art übermäßig zu betonen. Er glaubt, dass er dadurch weltläufig und liberal klingt – genauso wie diese NPR -Reporter, die angeberische Würgegeräusche von sich geben, wenn sie irgendwelche fremdsprachlichen Begriffe zitieren.
»Oh, danke schön«, sagte ich und betrachtete das fantastische Geschenk. »Aber du weißt … dass ich gar nicht rauche.«
»Natürlich. Aber das ist auch kein gewöhnliches Feuerzeug.«
Ich zündete es misstrauisch. Die handelsübliche Flamme leuchtete auf.
»Das ist das erste CO 2 -negative Feuerzeug der Welt«, verkündete Pugwash stolz. »Es ist nach dem Vorbild der Kwah-ra- NAAA -Samenkapsel gestaltet. Und es wird von nativen Personen hergestellt.«
»Also … zieht es Kohlendioxid aus der Luft?«
Er schüttelte den Kopf. »Für jedes Feuerzeug, das du kaufst, wird ein Baum im Regenwald erhalten. Natürliche CO 2 -Speicherung. Viel effizienter. Und ich werde ein Vermögen machen, indem ich in den Stamm investiere, der sie produziert.«
Ich nickte höflich und steckte mir das Guarana-Feuerzeug in die Jackentasche. Pugwash hatte Google schon vor Jahren verlassen, und inzwischen bekämpft er seine Langeweile, indem er seinen Profit in neue Geschäftsideen pumpt. Er hatte ein paar überraschende Erfolge (z. B. Amish vs. Aliens – ein Facebook-Spiel mit unglaublichem Suchtpotenzial), und ein paar krasse Misserfolge (z. B. Für immer 29 , ein Modegeschäft für ältere Frauen, die sich gern wie trashige Youngster kleiden und ihr wahres Alter nicht verraten wollen). Und er hatte einen ungeheuren Hauptgewinn gelandet (Phluttr, wo er einer der ersten Investoren war). Statt eigene Unternehmen zu gründen, investiert er lieber in Start-ups und geht in den Bars am Union Square auf Fischfang nach Existenzgründern wie ein Päderast, der die Busbahnhöfe nach Ausreißern abgrast. Er beschreibt seine Geschäftsbranche im Allgemeinen mit »Technologie«. Aber von seiner Internet-Erfahrung abgesehen kennt er sich gar nicht mit harter Technik aus. Bei Google arbeitete er in der »Geschäftsentwicklung«. Soweit ich es verstanden habe, ist das eine weltweite Gemeinschaft von Schulterklopfern, deren Mitglieder zu Konferenzen fliegen, über strategische Partnerschaften zwischen ihren Unternehmen diskutieren und schließlich ihre gegenseitigen E-Mails ignorieren, wenn sie wieder zu Hause sind.
Bevor ich fragen konnte, wie die Nativen das mit der CO 2 -Speicherung machen, vibrierte Pugwashs Handy so heftig, dass es fast vom Tisch sprang. Er griff danach und starrte auf das Display. Seine
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