Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)
Die Pilgernder Joker konnte feststellen, wie die Abmessungen des Fremdlings waren, aber es gab nicht die geringste Möglichkeit, Näheres über sein Innenleben in Erfahrung zu bringen. Alle Raffinesse utragenorianischer Technologie war an dieser Aufgabe verschwendet. Das Licht der Sonne und der Sterne wurde von diesem unirdischen Gold überstrahlt, als ob das Ding aus sich heraus leuchten würde wie eine unvernünftig große Lampe.
Dieser Moment absoluter Ruhe dauerte eine Sekunde lang. Dann überzog ein Flimmern die Konturen des Goldes, und das riesenhafte Gebilde verschwand, als hätte ein Gott gezwinkert und sich ein lästiges Staubkorn aus dem Auge gewischt. Eine Welle gestörter Schwerkraft bewegte sich durch das Sonnensystem wie ein Fieberschauer.
»Das war’s dann«, kommentierte die Pilgernder Joker . Veruca Salt konnte nicht glauben, was sie gesehen hatte. Irgendwie hatte das Verschwinden des titanischen Artefakts lustlos gewirkt. Als hätte man sich einer längst überfälligen Pflicht entledigt. Seine vergessenen Hausaufgaben gemacht. Abgehakt. Jana Hakon wusste nicht, wie sie darauf kam; sie war sicher, dass für die Herren des goldfarbenen Ungetüms das Kapitel Galdäa erledigt war, abgeschlossen. Das Verschwinden war endgültig gewesen.
»Wie auch immer«, sagte Markus Hataka, und in einer unzugänglichen Region seines Verstandes spürte er Melodien, die zueinander fanden und sich umeinander rankten. Darum, sagte er sich, würde er sich später kümmern. Der emsige Buchhalter in seinen Gedanken zeichnete getreulich alles auf, vermaß die Akkorde und ordnete die Harmonien ein, als wären es aufgepiekste Schmetterlinge. Er würde nie wieder eine Idee vergessen. Markus war nicht sicher, ob er mit dieser Änderung in seinem Gehirn einverstanden war. Immerhin besser, als jede einzelne Bewegung seiner Finger vermessen zu bekommen.
»Wir haben zu tun«, sagte der Musiker, und er grinste, als er die Gesichter sah, die sich ihm erstaunt zuwandten. »Natürlich haben wir das«, sagte Markus Hataka. »Wir müssen zusehen, dass es etwas zu retten gibt, wenn wir ankommen. Wen auch immer.«
Anmerkungen
Die Kapitel um Michael Sanderstorm beruhen auf der Erzählung »Der galdäische Krieg«, erstmals erschienen in dem Band »Das kleinere Weltall« (1989). Der Text ist für diese Romanfassung stark bearbeitet und umgeschrieben worden. Das Kapitel um seinen Bruder Tasso Sanderstorm, dessen Urfassung »Der Brunnen« im selben Buch erstmals erschienen ist, erfuhr ebenfalls eine gründliche Kürzung und Überarbeitung.
Veruca Salt ist eine US-amerikanische Band, die ihren Namen der Originalversion von Roald Dahls Kinderbuch »Charlie und die Schokoladenfabrik« entnommen hat. In der deutschen Fassung – die ich nicht gelesen habe – heißt dieselbe Figur Veruschka Salz.
Die Textzitate im elften Kapitel stammen aus Songs der legendären Pixies, geschrieben von Frank Black, der sich damals Black Francis nannte. »Monkey Gone To Heaven« findet sich auf »Doolittle« (1989), »Planet Of Sound« auf »Trompe Le Monde« (1991).
Ich danke Erik Simon, der die beiden Keimzellen des Romans in dem Erzählungsband veröffentlichte und bereits damals darauf hinwies, welche Möglichkeiten in der Geschichte stecken. An einen Roman hat allerdings auch er damals nicht gedacht. Diese Idee habe ich 1996–99 umgesetzt; er hat anno 2000 das Manuskript gelesen und zahllose wertvolle Hinweise gegeben, deren Umsetzung einige Jahre in Anspruch nahm. Außerdem danke ich Heidrun Jänchen, die 2009/2010 während eines gründlichen Lektorats die Korrosionsstellen und Haarrisse des Textes bloßgelegt hat. Alle verbliebenen Fehler gehen auf den Autor.
Karsten Kruschel
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Karsten Kruschel
VILM 03
Das Dickicht
Erscheint im Frühjahr 2013
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