Galeeren in der Ostsee
Diener Bolitho Hut und Mantel abnahm.
Bolitho setzte sich. Sir Samuel Damerum, Ritter des Bath-Ordens, Admiral der Nordseeflotte, stand schätzungsweise im fünfzigsten Jahr. Er hatte eine frische, lebhafte Art zu sprechen und sich zu bewegen, aber sein graumeliertes Haar und die leichte Rundung in Taillenhöhe, die auch eine makellos geschneiderte Weste nicht kaschieren konnte, machten ihn älter.
Er sagte: »So, Sie sind also Richard Bolitho.« Sein Blick haftete kurz auf der Goldmedaille, die Bolitho für diesen offiziellen Besuch um den Hals trug. »Die Medaille für den Sieg am Nil, nicht wahr?« Er schüttelte den Kopf. »Manche Leute haben das Glück gepachtet.« Er hatte eine sprunghafte Art, das Thema zu wechseln. »Wie steht’s mit Ihrem Geschwader?« Er wartete nicht auf Antwort, sondern fuhr fort: »Sie haben länger gebraucht, als ich dachte, aber es ging wohl nicht anders, wie?«
»Tut mir leid, Sir. Schlechtes Wetter, ungeübte Leute, das übliche.« Damerum rieb sich die Hände, und wie herbeigezaubert erschien ein Diener.
»Brandy, Mann. Aber nicht die miese Sorte, die wir den Kommandanten anbieten!« Er lachte in sich hinein. »Mein Gott, was für ein Krieg, Bolitho. Immer weiter und weiter. Und kein Ende abzusehen.« Bolitho wartete. Er war sich noch nicht klar über diesen seltsam sprunghaften Mann, der eine Menge redete, aber bis jetzt eigentlich noch nichts gesagt hatte.
Bolitho sagte: »Mein Flaggkapitän schickt Ihnen ein paar Vorräte herüber, Sir.«
»Vorräte?« Die Augen des Admirals folgten dem Brandy und den beiden Gläsern, die der Diener auf den Tisch gestellt hatte. »O ja, Mr. Fortnum, mein Lebensmittelhändler in London, tut sein Bestes, um mich nicht verhungern zu lassen, wissen Sie. Das ist nicht ganz einfach heutzutage.«
Bolitho wußte nicht, wer Mr. Fortnum war, hatte aber irgendwie das Gefühl, daß er es eigentlich hätte wissen müssen.
Der Brandy war mild und erwärmend und machte schläfrig, wenn man nicht aufpaßte.
»Nun, Bolitho, Sie werden wissen, daß Sie die Aufgabe meines Geschwaders übernehmen sollen. Die dänische Affäre scheint sich zur Zeit abgekühlt zu haben, aber meine Informationen gehen dahin, daß der Zar sich mit den Franzosen gegen uns verbünden will. Sie wissen von dem Vertrag, den er mit den Schweden zu schließen versuchte?« Wieder wartete er nicht auf Antwort, sondern fuhr schnell fort: »Er hängt noch immer an dieser Idee. Zusätzlich wird er darin von Preußen unterstützt. Gemeinsam könnten die beiden Dänemark zwingen, sich gegen uns zu entscheiden. Es ist eben nicht einfach, in Frieden neben einem wütenden Löwen zu leben.«
Bolitho versuchte sich vorzustellen, wie sein kleines Geschwader das Vordringen der vereinigten baltischen Flotten verhindern sollte. Beauchamp hatte ja gesagt, daß seine Aufgabe nicht leicht sein würde.
»Sollen wir in die Ostsee einlaufen Sir?«
Damerum machte seinem Diener ein Zeichen, die Gläser neu zu füllen.
»Ja und nein. Es wäre falsch, demonstrativ Stärke zu zeigen. Der Zar würde das zum Anlaß nehmen, das Feuer zu schüren. In einer Woche wären wir im Krieg. Aber eine kleine Streitmacht wie Ihre kann mit friedlichen Absichten hineinfahren. Meine Schiffe sind allen Spionen gut bekannt. Bald wird man wissen, daß ein neues Geschwader hier ist. Da es kleiner ist als meines, werden Spannung und Mißtrauen nachlassen.« Er lächelte und zeigte dabei sehr ebenmäßige Zähne. »Abgesehen davon, Bolitho: Wenn wirklich Schwierigkeiten auftreten sollten, sind wir bis zum nächsten Jahr hilflos. Bis März mindestens. Da wir die Schiffe des Zaren nicht in ihren Häfen packen können, müssen wir warten, bis das Eis geschmolzen ist. Bis dahin«, er schaute Bolitho fest an, »werden Sie die Dinge aus möglichst naher Entfernung beobachten.« Dann lachte er in sich hinein. »Aus sehr naher Entfernung, um es ganz deutlich zu sagen. Sie haben den Auftrag, nach Kopenhagen zu segeln und sich dort mit einem Beauftragten der britischen Regierung zu treffen.
Bolitho war erstaunt. »Wären Sie als ranghöherer Offizier nicht sehr viel besser für diese Mission geeignet, Sir?«
»Ihr Einwand ehrt Sie. Aber wir müssen behutsam vorgehen. Wenn ein zu junger Offizier kommt, müssen die Dänen sich geringschätzig behandelt fühlen. Kommt ein zu hoher Offizier, wittern sie bestimmt eine finstere Absicht oder gar eine Drohung.« Damerum zeigte mit dem Finger auf Bolitho. »Aber ein junger Konteradmiral ist
Weitere Kostenlose Bücher