Galeeren in der Ostsee
ersten Wochen in See waren für ein neu gebautes Schiff immer kritisch. Das Bauholz war nicht so gut abgelagert gewesen, wie es hätte sein sollen, und so konnten bei den starken Schlingerbewegungen seltsame Dinge passieren.
Die
Benbow
war ein guter Segler, dachte Bolitho. Mehrmals schon hatten die anderen Zweidecker mehr Leinwand setzen müssen, um mitzukommen. Ein feines Schiff. Der bessere Teil eines ganzen Waldes hatte wohl dran glauben müssen, als sie gebaut wurde.
Bolitho fuhr so plötzlich im Stuhl hoch, daß Allday erschreckt ausrief: »Langsam, Sir! Fast hätte ich Sie geschnitten.« Dann sagte er: »Ich habe es auch gehört: Kanonendonner!«
Bolitho wollte zunächst aufstehen, lehnte sich dann aber wieder zurück. »Rasieren Sie mich fertig, bitte.« Er unterdrückte seine plötzliche Erregung. »Es gehört sich nicht, daß ich gleich an Deck stürze.«
Trotzdem fiel es ihm schwer. Bisher war er gewohnt gewesen, bei solchen Gelegenheiten sofort aufs Achterdeck zu gehen und sich selber ein Bild von der Lage zu machen. Er erinnerte sich an einen seiner ersten Kommandanten, dem er als junger Midshipman eine wichtige Meldung nach achtern in seine fürstliche Einsamkeit hatte bringen müssen.
Der Kommandant hatte ruhig, ein Glas Wein trinkend, in seiner Kajüte gesessen. Bolitho sah ihn noch deutlich vor sich: Als er seine Meldung herausgestammelt hatte, wandte der Kommandant sich lediglich um, nickte, und sagte: »Meine Empfehlung an den Ersten Offizier, Mr. Bolitho, ich käme in Kürze hinauf. Das heißt, wenn Sie noch ausreichend Puste für diese Meldung habe.«
Dabei hatte er es vielleicht, wie Bolitho jetzt, kaum ausgehalten, selber nach dem Rechten zu sehen.
Es gab ein Geräusch am Tü rvorhang, und Herrick trat ein.
»Guten Morgen, Thomas.« Bolitho lächelte. Es hatte keinen Zweck, vor Herrick Theater zu spielen, darum fügte er hinzu: »Ich hörte Schießen.«
Herrick nickte. »Der Peilung nach müßte es die
Lookout
sein, Sir, es kam von Nordosten.«
Bolitho wischte sich das Gesicht mit einem Handtuch ab und stand auf. Das Deck unter seinen Füßen zitterte, als das Ruder in ein Wellental tauchte.
Lookout
war die kleine Korvette, und ihr Kommandant war Commander Veitch, Herricks ehemaliger Erster Offizier. Ein strenger Mann, aus Tynemouth gebürtig, äußerst zuverlässig, der seine Beförderung auf dem harten Wege erreicht hatte. Wenn er jetzt einen Gegner auf eigene Faust stellte, dann war er sicher unbedeutend. Jedenfalls hielt es Veitch offensichtlich nicht für notwendig, sein Flaggschiff zu informieren oder gar um Hilfe zu bitten. Das wäre ohnehin nicht seine Art gewesen.
Herrick meinte: »Vermutlich ein Blockadebrecher, Sir.«
Ozzard eilte mit Bolithos Mantel herbei und hielt ihn wie ein Torero, der einen Stier zum Angriff reizt.
Bolitho fragte: »Ist irgendeine unserer Fregatten in Sicht?« Der Klang weiterer Explosionen dröhnte über das Meer, kurz und scharf: die leichten Buggeschütze der
Lookout.
Herrick antwortete: »Nicht, so lange ich an Deck war, Sir. Die
Relentless
müßte im Südwesten stehen und
Styx
auf unserer Leeseite, wie befohlen.«
»Gut.« Er schlüpfte in seinen Mantel, der sich feucht anfühlte. »Wir wollen selber nachschauen.«
Der Himmel hatte sich aufgehellt, als sie aus der Hütte traten. Wolfe eilte auf sie zu.
»Mastkorb meldet:
›Lookout
in Sicht‹, Sir. Sie wird von einem kleineren Fahrzeug begleitet, entweder einer Brigg oder einem größeren Schiff, dem ein Mast weggeschossen wurde.« Grinsend fletschte er die Zähne.
Bolitho konnte Wolfes Gedanken lesen: Eine frühzeitige Eroberung bedeutete Prisengeld und ein Kommando für irgendeinen. Selbst ein vorübergehender Einsatz als Prisenkapitän war etwas, das man sich in Krisenzeiten wünschte. Und Glück dazu. Bolitho hatte beides gehabt und auf diese Weise sein erstes Kommando bekommen.
Leute huschten über das Achterdeck und räumten Pützen und Schrubber weg. Ihre Gesichter waren im schwachen Licht noch nicht zu erkennen. Aber allen war bewußt, daß ihr Admiral auf etwas wartete; was bedeutete es für sie? Ein Seegefecht? Tod oder Verstümmelung? Auf jeden Fall stand eine Unterbrechung im Einerlei ihrer täglichen Routine bevor.
Bolitho bemerkte einige Offiziere auf der Leeseite des Achterdecks: Byrd und Manley, den Vierten und Fünften Offizier, und Courtenay, den noch jüngeren Sechsten, den Allday aus dem Admiralsboot verdrängt hatte.
Er mußte sich einmal Zeit nehmen, sie näher
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