Galeeren in der Ostsee
die
Styx
Kurs auf den Ankerplatz nahm. Er berührte den prächtigen, vergoldeten Griff seines Ehrensäbels und erschrak, als ihm einfiel, daß er seinen alten Degen auf der
Benbow
gelassen hatte. Allday bemerkte diesen Augenblick der Unsicherheit und fühlte mit ihm.
Bolitho drehte sich um und sah ihn an. Er wußte, daß Allday ihn verstand und sich selber die Schuld zuschob.
»Keine Sorge, Allday, wir konnten nicht wissen, daß unser Besuch bei den Dänen hier enden würde.«
Beide lächelten, aber keiner machte dem anderen etwas vor. Es war wie ein Omen.
»Die
Ajax
hat ihre Ankertrosse gekappt, Sir!« Ein Midshipman hüpfte vor Aufregung. »Sie sind völlig durcheinander!«
Bolitho sah das erste Stück Leinwand an den Rahen der gegnerischen Fregatte erscheinen und beobachtete den steilen Winkel ihrer Masten, als Wind und Strömung sie zum Ufer trieben.
Neale hatte sein Schwert gezogen und hielt es über die Köpfe der nächsten Geschützbedienung, als wolle er sie zurückhalten. Das französische Schiff trat nun deutlicher aus dem Schneetreiben hervor und gewann Umriß und Persönlichkeit. Weitere Segel waren gesetzt, und über das Getöse von Wellen und schlagender Leinwand hinweg hörten sie das Gepolter der Geschützwagen und den eindringlichen Ton einer Pfeife.
Über die Schulter rief Neale: »Nicht zu stark abfallen! Wir wollen den Franzosen zwischen uns und der Landbatterie halten!«
Bolitho beobachtete die feindliche Fregatte, als sie nach achtern auswanderte. Neale hatte nichts vergessen. Aus dem Augenwinkel sah er, als die
Styx
ihre leichte Kursänderung vollendet hatte, wie das Schwert des Kommandanten niederfuhr.
»Ziel aufgefaßt! Feuern!«
Schnell geschafft
Bolithos Augen brannten von dem Pulverqualm, den eine launische Bö über das Achterdeck geweht hatte. Er beobachtete, wie die Kanonen beim Abschuß zurückrollten und der wirbelnde Schneevorhang jedesmal wie von feurigen Zungen aufgerissen wurde. Seine Ohren waren durch den Lärm fast taub. Jetzt fielen auch die Sechspfünder auf dem Achterdeck mit ihren grelleren Tönen in das Konzert ein. Die Kugeln schlugen kurz vor oder hinter dem anderen Schiff ins Wasser, einige trafen sogar.
Sofort nach dem Schuß sprangen die Geschützbedienungen wie die Verrückten hinzu, wischten die Rohre aus, luden sie aufs neue mit Kartuschen und Kugeln und warfen dann ihr Körpergewicht in die Taljen, um die Lafetten wieder in Abschußstellung zu ziehen.
Und noch immer hatte der französische Kommandant nicht einen einzigen Schuß als Antwort gefeuert.
Immer wieder hoben sich die Fäuste der Geschützführer zur Klarmeldung, immer wieder brüllte der Erste Offizier: »Salve! Feuern!«
Bolitho hielt die Hand über die Augen und versuchte, den Pulverqualm zu durchdringen, der leewärts zum anderen Schiff hinübergetrieben wurde. Sie liefen jetzt aufeinander zu. Die etwas schwerere
Ajax
setzte auch noch ihre Bramsegel, um sich den Weg ins offene Wasser zu erkämpfen.
Ein Hurra erklang, als eine Salve der
Styx
durch die Marssegel der
Ajax
fegte und der Wind die Löcher, die die Kanonenkugeln geschlagen hatten, weiter aufriß. Auch das Großsegel war getroffen und zerriß wie ein alter Sack.
Dann antwortete der Feind. Auf eine Entfernung von etwas einer Kabellänge kam die Breitseite schlecht gezielt heraus, aber Bolitho fühlte, wie die Eisenkugeln in die hölzernen Planken der
Styx
einschlugen. Ein verirrtes Geschoß traf sogar etwas weiter achtern unterhalb seines Standorts. Das Deck federte wie nach einem heftigen Hammerschlag zurück, aber Neales Geschützbedienungen schienen es gar nicht zu bemerken. »Stopft die Zündlöcher! Wischt die Rohre aus! Laden!« Die täglichen Übungen, der harte Drill, die vielen Flüche – jetzt zahlten sie sich aus.
»Kanonen ausrennen!«
Der Pulverqualm lag mit immer wieder rot und orange aufleuchtendem Kern zwischen den beiden Schiffen, als ob er ein eigenes Leben besäße. Dann schlugen abermals Kugeln in die Bordwand der
Styx
ein, gerade als sie selber eine Breitseite abfeuern wollte.
Bolitho sah, daß eine Kanone umgestürzt war, daß ihre Bedienung sich auf dem Deck wälzte und scharlachrote Spuren als Zeichen ihres Todeskampfes hinterließ. Auch in den Segeln der
Styx
erschienen jetzt Löcher, und Bolitho hörte eine Kugel über das Achterdeck fegen, nur wenige Fußbreit von dem Platz entfernt, an dem er stand.
Neale eilte hierhin und dorthin, beobachtete das Steuer, die Segel, die Geschützbedienungen,
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