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Galgenberg: Thriller (German Edition)

Galgenberg: Thriller (German Edition)

Titel: Galgenberg: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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sehen aus, als könnten Sie einen Kaffee gebrauchen.«
    Clare folgte Lilith durch den düsteren Flur und betrachtete die darin hängenden Bilder. Auf jedem eine weibliche Gestalt mit wild wirbelnden Armen. Das einzige farbige Element waren die Haare, eine platinblonde Flamme vor bleigrauem Himmel.
    »Icarus Girls«, sagte Lilith. »Meine erste Serie.«
    »Das Mädchen auf den Bildern. Sind Sie das?«, fragte Clare.
    »Die Fotos sind von mir, von einer Performance. Über ein gestorbenes Mädchen.«
    Draußen kam Wind auf, der heulend ins Haus zu dringen versuchte.
    »Vielleicht sollten Sie die Vorgeschichte dazu kennen. Ich war siebzehn. Ich war aus einer Entzugsklinik geflohen. Es war dunkel. Sie war vor mir. Ich hörte sie schreien. Ich sah auf und sah sie genau so, als Silhouette vor dem Sternenhimmel. Dann war sie verschwunden.«
    »Was haben Sie dann getan?«
    »Ich bin erstarrt, schätze ich. Das habe ich allen erzählt«, sagte Lilith, die Knöchel gegen die Augen gepresst. »Sie starb«, fuhr sie fort. »Die Klinik wollte das mir anhängen. Sie meinten, ich sei dafür verantwortlich.«
    »Waren Sie es?«, fragte Clare.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Lilith. »Ich fühlte mich verantwortlich, aber ich konnte nicht sagen, was wirklich passiert war. Also verstummte ich. Genau wie damals, nachdem meine Mutter verschwunden war. Ganz egal, was sie mit mir anstellten, ich sprach kein Wort. Ich konnte es nicht. Ich wollte ihnen erzählen, wie ich erstarrt war. Wie alles in der kalten, kalten Nacht erstarrte. Aber nicht einmal das konnte ich.«
    Sie rieb sich die Augen.
    »Sie ließen mich dafür bezahlen«, sagte sie. »Ein weiteres Mal. Wenn Erwachsene etwas bei einem Kind nicht dulden können, dann Schweigen.«
    »Und wie sind Sie danach damit umgegangen?«
    Sie drehte die Handflächen nach oben. Zeigte die ausgefransten Narben. »Danach fing ich an, Kunst zu machen«, erzählte Lilith. »Ich türmte ein letztes Mal, kam nach Kapstadt, tauchte unter, bis ich achtzehn war und nicht mehr wegzulaufen brauchte. Und ich schaffte es auf die Kunstakademie.«
    Mitgefühl zog über Clares Gesicht. Sie räusperte sich und sagte: »Eine starke Leistung, es nach alldem auf die Kunstakademie zu schaffen.«
    »Ich hatte Hilfe. Damien Sykes. Die Osmans. Die Kunsthändler. Sie hatten die Arbeiten meiner Mutter ausgestellt. Als sie hörten, was ich vorhatte, nahmen sie mich unter ihre Fittiche. Sie leiteten mich an. Sie sind die einzige Familie, die ich noch habe. Können Sie sich das vorstellen? Die einzige verbliebene Verbindung zu meiner Mutter.«
    »Sehen Sie sie oft?«
    »Sie haben bei meiner Ausstellung mit Hand angelegt«, erklärte Lilith. »Aber das heißt nicht, dass wir immer alles persönlich besprechen. Kommen Sie«, sagte sie dann.
    Die Nachmittagssonne strahlte rot und grün durch die Buntglasscheiben der Küchentür. Lilith füllte den Wasserkessel.
    »Der Kaffee steht auf der Kommode. Können Sie ihn mir geben?«
    Töpfe voller schillernder Tinte standen neben einem Büschel Wildgras in einem Glas und alten Fotos. Partys und Picknicks, vergangene Zeiten, in vergilbenden Bildern gefangen.
    »Das müssen Sie sein«, sagte Clare und griff nach dem Bild eines kleinen Mädchens auf einer blauen Schaukel, mit fliegenden Haaren, das Gesicht der Sonne entgegengereckt.
    »Das bin ich. Die Schaukel steht im Garten. Und meine Mutter schubst mich an«, bestätigte Lilith und reichte Clare eine Tasse. »Aber sind Sie wirklich hergekommen, um mit mir über Kunst zu sprechen?«
    »Eigentlich geht es um Ihre Mutter.« Clare setzte sich an den Tisch.
    »Meine Mutter ist tot.« Lilith nahm Clare gegenüber Platz. »Tot und begraben. Sie haben meine Arbeiten gesehen.« Ein brüchiges Lachen fing sich in ihrer Kehle. »Sie starb für etwas, das heute keinen Menschen mehr interessiert.«
    »Lilith«, sagte Clare leise. »Das ist nicht Ihre Mutter.«
    »Und wer ist es dann?«
    Clare suchte nach Worten, mit denen sie die Wahrheit abmildern konnte, aber sie fand keine.
    »Und wo ist sie dann?« Ein Flackern in Liliths Gesicht.
    Clare schloss kurz die Augen. Sie war viel zu schnell vorgestoßen. Und in die falsche Richtung. Es war ihre Schuld, dass jetzt neue Hoffnung aufgeflammt war.
    »Ihre Mutter ist tot«, sagte Clare. »Aber sie hat Sie damals nicht im Stich gelassen.«
    »Spielen Sie nicht mit mir, Clare. Was wollen Sie mir sagen?«
    »Gallows Hill«, stieß Clare hervor.
    »Ja? Ich kann ihn von meinem Haus aus sehen.« Sie

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