Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Galgenberg: Thriller (German Edition)

Galgenberg: Thriller (German Edition)

Titel: Galgenberg: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
Vom Netzwerk:
kennenlernt, der sie erröten lässt, hätte ich nie im Leben geglaubt. Was wurde eigentlich aus seinem Kind, diesem kleinen Mädchen, das damals entführt wurde?«
    »Yasmin«, sagte Clare. »Ein echtes Vaterkind. Es geht ihr gut. Ein Kinderkörper heilt so schnell.«
    »Und die Psyche?« Magda winkte einem Kellner, die Rechnung zu bringen.
    »Sie ist mit ihrer Mutter nach Kanada ausgewandert. Ein paar Wochen, nachdem sie aus dem Krankenhaus kam.«
    »Sie sind geschieden?«
    »Noch nicht.«
    »Ist es besser so?«
    »Einfacher«, sagte Clare. »Aber nicht besser. Dass sie nicht mehr hier ist, hat Riedwaan das Herz gebrochen.«
    »Wenigstens ist sie dort sicher.« Magda legte die Hand auf Clares Arm.
    »Ich nehme es an.« Clare zog ihren Geldbeutel aus der Tasche. »Aber Yasmin ist erst sieben. Zu jung, um so weit weg von ihrem Vater zu leben. Das tut beiden nicht gut.«
    Der Kellner stand mit der Rechnung an ihrem Tisch.
    »Das übernehme ich«, sagte Magda. »Warum siehst du dir nicht noch schnell Liliths Arbeiten an? Es wäre gerade günstig. Ich muss sowieso los, und die Galerie ist nur ein paar Blocks von hier.«
     
    Die Galerie, eine ehemalige Fabrik, bot Schutz vor dem Wind, der vom Devil’s Peak herabjagte. Der Aufzug trug Clare knarrend ins Obergeschoss. Weiße Wände, grauer Boden, ein Fenster mit Blick auf den Tafelberg, von dessen kargen Flanken ein Wolkentumult herabrollte.
    FORENSIC.
    Der Titel der Ausstellung, in Blockbuchstaben im Foyer. Ein Mädchen, vampirbleich, sah auf, als Clare die Tür aufdrückte.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie.
    »Ich würde gern die Ausstellung sehen.«
    »Die Galerie ist heute eigentlich nur für Privatkäufer geöffnet«, sagte das Mädchen.
    »Sie können doch bestimmt eine Ausnahme machen«, bat Clare.
    »Na gut. Aber Sie müssen bitte erst die Schuhe ausziehen. Danach geht es durch den blauen Vorhang da drüben.«
    »Danke.« Clare zog die Schuhe aus und stellte sie neben die anderen im Regal. Sie zog den blauen Samtvorhang beiseite und trat, barfuß und mit unsicheren Schritten, ein. Kleine, feste Buckel drückten sich in ihre Sohlen. Der Raum wurde von Geräuschen überflutet.
    Blätterrascheln.
    Kurze, unregelmäßige Atemzüge ganz in der Nähe.
    Weiter weg rufende Kinder beim Spielen.
    Eine Schulglocke.
    Ein erstickter Schrei.
    Der Ruf eines Muezzins.
    Stille.
    Atem.
    Ein läutendes Telefon.
    Hastige Schritte.
    Ironisches Lachen.
    Wenn Clare sich ganz ruhig verhielt, wurde es still im Raum. Sobald sie ihre Füße über den unebenen Boden bewegte, setzten die Geräusche ein. Das Rascheln, das Atmen, die Kinder, die Glocke, die Stille, das Telefon, die Schritte. Die Angst zuckte mit einer trockenen Reptilienzunge über ihren Nacken. Clare tastete sich langsam weiter über den Boden vor. Weitere Unebenheiten, harte Höcker unter ihren Füßen, die immer neue Geräusche auslösten. Das Heulen des Windes, das Basswummern einer CD in einem weit entfernten Auto, der Widerhall von herabeilenden Schritten auf Betonstufen, das metallische Echo eines Tunnels. Das Krachen und Reißen von Metall auf Metall. Das dumpfe, ferne Rattern eines Zuges. Der regelmäßige Schlag eines Herzens.
    Tintenschwarzes Wasser  – von hohen Granitwänden, vielleicht einem Steinbruch umfangen  – spiegelte den Mond wider. Das Bild bannte Clare: die Grüntöne schimmernd, die Schwarztöne tief und weich wie Samt. Der nächtliche Umriss des Berges, die dunkelgrauen Felsen, die abgewohnten Gebäude, eine kleine, weiße Gestalt, die zwischen Schilfrohren kauerte. Sich die Hände wusch.
    Daneben hing eine Nahaufnahme. Die Künstlerin hatte das Motiv so vergrößert, dass das Bild fast in einzelne Pixel zerfiel. Eine Spiegelung im schwarzen Wasser zwischen Bäumen, Wurzeln, Schilf. Ein Gesicht, möglicherweise das V eines Kragens. Das Bild flüchtig wie eine Szene aus einem Traum.
    Der nächste Raum enthielt eine Folge von Videoschleifen. Ein schönes Mädchen, das Gesicht in Nahaufnahme. Gesichtslose Männer, die sie in die Luft hoben, die sie nach unten drückten. Die ihren nackten Körper hin- und herbewegten. Die mit forschenden Fingern ihre blasse Haut abtasteten. Die Schenkel von langen, schlanken Narben gezeichnet.
    Ritzen – Clare erkannte die Symptome tiefer emotionaler Qualen. Der Körper ihrer Zwillingsschwester war mit selbst zugefügten Narben übersät, einem neu gespannten Netz über dem Gitterwerk alter Narben, zugefügt von den Männern, die sie vor so vielen Jahren

Weitere Kostenlose Bücher