Galgenberg: Thriller (German Edition)
war jung. Ich habe einen Fehler gemacht. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Außer dass ich sie seit dreiundzwanzig Jahren jeden Tag vermisse.«
»Denken Sie nach, Mr Sykes«, ermahnte ihn Clare. »Denken Sie genau darüber nach, woran Sie sich sonst noch erinnern, was Sie mir vielleicht sonst noch erzählen möchten. Die Wahrheit ist eine schwere Last, wenn man sie so viele Jahre tragen muss.«
»Wenn ich Ihnen mehr zu erzählen hätte, würde ich es tun«, erwiderte Sykes.
»Ich muss wieder in die Stadt.« Clare reichte ihm ihre Visitenkarte. »Denken Sie über alles nach. Rufen Sie mich an. Oder rufen Sie Major Phiri an, seine Nummer steht auf der Rückseite.«
»Sie haben sich schon alles zurechtgelegt, wie?«
»Nein.« Clare ging zur offenen Tür. »Aber Suzannes Tod liegt schon lange zurück, und es gibt immer Möglichkeiten, wie man mildernd …«
»Einen Nachlass für ein Verbrechen, das ich nicht begangen habe«, unterbrach Sykes sie. »Für ein Verbrechen, das ich um nichts in der Welt begangen hätte …«
»Denken Sie darüber nach«, fiel ihm Clare nun ihrerseits ins Wort. »Seelenfrieden ist das einzige Gut, das sich nicht mit Geld kaufen lässt – Ihrem oder dem von jemand anderem.«
Clare fuhr in die Stadt zurück, unter den grünen, kühlenden alten Eichen am Monterey Drive hindurch. Sobald sie um die Hospital Bend bog, wurde es fünf Grad heißer. In der Stadt wütete der Wind, warf Mülltonnen um und schleuderte den Passanten Staub in die Augen. Sie würde zu spät zu ihrem Treffen mit Lilith kommen, aber weil hinter ihr ein Streifenwagen fuhr, konnte sie unmöglich telefonieren. Da ohnehin ihre Tankanzeige blinkte, fuhr sie zu einer Tankstelle und rief Lilith an.
»Da sind Sie ja«, begrüßte Lilith sie. »Ich habe schon versucht, Sie zu erreichen.«
»Raheema meinte, Sie hätten Ihre DNA analysieren lassen«, sagte Clare.
»Stimmt. Die Ergebnisse kommen morgen früh, aber die werden nur bestätigen, was wir sowieso schon wissen.«
»Tut mir leid, dass ich Sie habe warten lassen«, sagte Clare. »Mein Gespräch mit Damien Sykes dauerte länger als gedacht.«
»Schon gut, schon gut«, gab Lilith zurück. »Aber Sie müssen mich abholen. Geht es jetzt gleich?«
»Was ist denn?«
»Ich habe sie gefunden. Sophie Xaba, meine alte Kinderfrau. Ich habe eine Adresse, aber keine Telefonnummer. Ich bin sicher, dass sie es ist. Wie viele Sophie Xabas kann es schon geben? Clare? Bitte fahren Sie mit mir zu ihr. Bitte.«
»Wo sind Sie jetzt?«, fragte Clare.
»In der Plein Street«, antwortete Lilith. »In den Büros von Black Sash. Können Sie mich hier abholen? Ich möchte jetzt gleich hinfahren, bevor ich den Mut verliere.«
29
Rita Mkhize hatte es nicht mehr aus Mpumalanga herausgeschafft, aber Riedwaan war fest entschlossen, die Provinz lebend zu verlassen. In regelmäßigen Abständen kontrollierte er den Rückspiegel. Bislang kein Grund zur Sorge. Er konnte die Straße vor sich überblicken, und er lag gut in der Zeit. Trotzdem spürte er ein Kribbeln im Nacken.
Die Nadel des Tachometers pendelte um die hundert Stundenkilometer, und die Scheibenwischer schlugen den Takt dazu. Im Radio eine Wunschsendung mit Bruchstücken eines Janis-Joplin-Songs, die in den durchnässten Tälern zu statischem Rauschen verblassten.
Die Sicht wurde immer schlechter, der Regen immer heftiger. Riedwaan schaltete in den dritten Gang zurück. Bremsen war unter diesen Bedingungen keine besonders gute Idee. Vor ihm lag eine Kurve. Er wurde noch langsamer und kam trotzdem kurz ins Rutschen. Die Straße kippte scharf weg, wie ein glattes schwarzes Teerband. Dann zogen sich die Wolken in die Hügel zurück, nur in den Schluchten blieben ein paar Nebelfäden hängen, und der Regen legte eine kurze Pause ein.
Er lenkte den Wagen an den Straßenrand. Er war ein bisschen zu früh dran, aber direkt neben einem Abhang sah er einen großen Ford-Pick-up stehen. Ein breitschultriger Mann, gebaut wie ein Rugbyspieler, kam auf ihn zu.
»Du Randt.« Er streckte eine riesige Pranke aus.
»Faizal. Freut mich.«
Der Farmer hielt Riedwaans Hand umklammert, als wollte er ihn auf die Probe stellen. Sie würden nie Freunde werden, aber unter den gegenwärtigen Umständen gab es auch keinen Grund, verfeindet zu sein.
»Sie haben mir die Fotos von dem Unfall geschickt?«, fragte Riedwaan.
»Ja, also …«
»Vielen Dank«, kam ihm Riedwaan zuvor.
»Was sollte ich denn machen?«, fragte der Farmer. »Wie hieß
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