Galgenberg: Thriller (German Edition)
an und trottete dann in den Busch davon, gefolgt von seinem Kalb. Riedwaan starrte der Kuh nach. Rita war die Strecke zweimal gefahren. Warum war sie zurückgekehrt? Wonach hatten ihre Mörder gesucht? Was hatten seine Verfolger in Johannesburg damit zu tun?
Leopard Lodge. Der Schildermast leuchtete aus der Dunkelheit, und Riedwaan bog ab. Die Lodge setzte sich aus ein paar Fertigbungalows und einer schäbigen Straßenkneipe zusammen. Die Farbe schälte sich von den Wänden, und darunter war ein Name zu lesen – der einer inzwischen aufgelösten Behörde.
Drinnen hatte sich schon eine Reihe von Autofahrern eingefunden, die den Regen aussitzen wollten und ihre schlammverspritzten bakkies im Halbkreis um die Bar abgestellt hatten. Lastwagen rumpelten laut über die schlaglöchrige Zufahrt und parkten unter den Bäumen. Als Riedwaan eintrat, kam eben ein kwaito- Song zum Ende.
Die Kunde vom gesetzlichen Rauchverbot war allem Anschein nach noch nicht bis in den Busch vorgedrungen, und so hing ein blauer Rauchschleier über der Bar. Biergläser waren hier ebenfalls unbekannt, stattdessen schwitzten große Flaschen Black Label unter den Lampen.
Der Barkeeper wandte sich widerwillig von einem knapp bekleideten Mädchen ab, um Riedwaans Bestellung entgegenzunehmen.
»Soda mit Limettensirup«, sagte Riedwaan.
Der Barkeeper sah ihn fassungslos an, kippte jedoch eine Schaufel voll Eiswürfel in ein Glas, bevor er sich wieder dem Mädchen zuwandte.
Riedwaan rief ihn abermals zu sich und bestellte ein Steak mit großen Pommes frites und ohne Salat.
Er setzte sich an den letzten Tisch im Raum. Behielt die Tür im Auge – noch mehr Trucker, ein paar Büroangestellte, einige Geschäftsleute, deren Bäuche die Hemdknöpfe zu sprengen drohten und deren Eheringe in die fetten Finger schnitten. Ein paar Mädchen in kurzen Rücken, die aussahen, als hätten sie ihre Schuluniformen in die Rucksäcke gestopft, die sie über der Schulter trugen.
Nicht, dass das die Männer davon abgehalten hätte, ihnen Drinks auszugeben.
Abgesehen von dem Barkeeper und einem Kellner arbeitete im Gastraum nur eine ältere Aushilfe, die schmutzige Gläser einsammelte und Riedwaan das Essen brachte. Fleisch auf weißem Brötchen, Pommes frites, Zwiebelringe.
Riedwaan aß, ohne etwas zu schmecken.Als er aufgegessen hatte, ging er zum Barmann, um zu zahlen.
»Können Sie sich an diese Frau erinnern?«, fragte er und zeigte ihm ein Foto von Rita.
Der Barkeeper warf einen kurzen Blick darauf und schüttelte den Kopf.
»Nie gesehen?«
»Nein«, sagte der Barkeeper.
»Sie hat hier übernachtet. Und hier gegessen. Schauen Sie noch einmal genauer hin.«
»Ich kenne sie nicht.« Er schob Riedwaan das Wechselgeld zu.
»Die Frau, die mir das Essen gebracht hat – arbeitet die jeden Tag hier?«
»Jeden Tag.«
»Wo ist sie?«
»Draußen«, antwortete der Barkeeper und drehte sich zwei Männern zu, die in der Tür standen.
Die alte Frau saß im Windschatten des Gebäudes, an einer regengeschützten Stelle.
Riedwaan grüßte sie. »Hallo Ma’am. Können Sie sich an diese Frau erinnern?«
Er zeigte ihr eine Porträtaufnahme von Rita. Die Haare frisch geflochten, im weißen Hemd, mit klaren, gleichmäßigen Gesichtszügen und einem Funkeln in den Augen.
Die Frau studierte das Bild und gab es ihm zurück.
Keine Reaktion.
»Sie hat vor zwei Nächten hier übernachtet«, sagte er.
Der Regen trommelte ungeduldig auf das Wellblechdach.
»Und sie hat etwas in der Bar getrunken.«
» Haikhona. Nicht in der hier«, betonte sie. Mit Nachdruck.
»Sie hat auch hier gegessen«, erklärte Riedwaan. Und ein Trinkgeld liegen lassen – zehn Rand. Das wusste er aus Ritas akkurater Buchführung.
Die alte Frau drehte sich eine Zigarette. Und schwieg.
»Die Polizisten«, fuhr Riedwaan fort. »Als sie nach dem Unfall herkamen, haben sie mit Ihnen gesprochen.«
Die Frau spuckte aus. »Sie haben bestimmt nicht mit mir gesprochen.«
»Sie war ein gutes Mädchen. Ihre Familie hat sie geliebt.«
»Ist sie Ihre Tochter?« Sie sah Riedwaan an.
»Nein.« Riedwaan sah wieder auf das Foto. »Doch. Doch, in gewisser Weise schon.«
Das Streichholz flammte auf. Das Ende ihrer Selbstgedrehten erglühte.
»Sie hat drei Fanta Orange getrunken.« Mit resignierter Stimme, weil sie wusste, dass sie das Richtige tat und dass es für sie ein schlechtes Ende nehmen würde.
»Mehr nicht?«, fragte Riedwaan. »Kein Bier, keinen Schnaps?«
»Ihre Tochter war ein
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