Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
wurde.
    Dieser Laden lag nicht tief genug in der Gasse, dass Phillips sich hier hätte verstecken können. Monk lief weiter. Als Nächstes passierte er ein Malergeschäft. Durch das Fenster konnte er sehen, dass es innen leer war. Orme war dicht hinter ihm.
    »Der nächste Durchgang ist eine Sackgasse«, murmelte er. »Er könnte am oberen Ende auf uns warten.« Das war eine Warnung. Phillips hatte ein Messer und würde nicht zögern, es zu benutzen. »Er steht mit einem Fuß unter dem Galgen«, fuhr Orme fort. »Der Moment, in dem wir ihm die Handschellen anlegen, ist für ihn der Anfang vom Ende. Das ist ihm klar.«
    Monk musste unwillkürlich lächeln. Sie waren jetzt nahe dran, ganz nahe. »Ich weiß«, flüsterte er. »Glauben Sie mir, noch nie wollte ich einen Schurken so dringend schnappen wie diesen hier.«
    Orme erwiderte nichts. Langsam tasteten sie sich tiefer in die Gasse hinein.Vor ihnen bewegte sich etwas. Auf den Steinen war ein leises Kratzen zu hören. Ormes Hand wanderte zu seiner Pistole.
    Plötzlich huschte aus einem Seitendurchgang eine braune Ratte heraus und flitzte an ihnen vorbei. Irgendwo vor ihnen war ein Keuchen zu hören, dann ein Fluch. Phillips?
    In der Luft war kein Hauch zu spüren. Es war dunkel, und der Gestank wurde immer unerträglicher, zumal sich auch noch der Geruch von schalem Bier aus einer nahe gelegenen Taverne damit mischte. Monk beschleunigte seine Schritte, denn er wusste, dass Phillips sich von alldem hier bestimmt nicht aufhalten lassen würde. Wenn er etwas zu fürchten hatte, dann das, was hinter ihm war.
    Die Gasse teilte sich nun. Die linke Abzweigung führte zurück zum Kai, die rechte mündete in einem neuen Gewirr von Durchgängen und Gassen. Rechts von ihnen stand eine Bettlerherberge. In der Tür kauerte ein auf einem Auge blinder Mann, über dessen Hose sich sein Bauch wölbte und auf dessen Kopf ein alter Zylinder saß.
    Würde Phillips hier untergeschlüpft sein? Plötzlich wurde Monk klar, wie viele Freunde Phillips an Orten wie diesem haben konnte: Profiteure, deren Einkünfte von seinen Geschäften abhingen, Lieferanten, Schmarotzer.
    »Nein«, warnte ihn Orme. Er packte Monk am Arm und zog ihn mit erstaunlicher Kraft zurück. »Wenn wir da reingehen, kommen wir nie wieder heraus.«
    Monk starrte ihn wütend an. Er wollte streiten.
    Selbst im Spiel der Schatten, die auf Ormes Gesicht fielen, war seine Entschiedenheit unverkennbar. »Der Hafen ist nicht die einzige Gegend, wo’s Stellen gibt, in die kein Polizist reinkann«, erklärte er leise. »Und sagen Sie mir bloß nicht, dass es Beamte gibt, die sich in die Bluegate Fields oder den Devil’s Acre reinwagen. Wir alle wissen nämlich, dass das nicht stimmt. Das ist ein Kampf – wir gegen sie -, und wir gewinnen nicht immer.«
    Monk riss sich los, machte aber keine Anstalten mehr, die Gasse zu betreten. »Ich lasse diesen Dreckskerl nicht entkommen«, erklärte er betont langsam und deutlich. »Figs Ermordung ist nur die Spitze des Eisbergs.«
    »Es gibt sicher noch einen verborgenen Weg hier raus«, führte Orme seinen Gedanken weiter. »Wahrscheinlich mehr als einen.«
    Monk lag schon die scharfe Erwiderung auf der Zunge, dass er das selbst wusste, doch er schluckte sie hinunter. Orme verdiente es genauso wie er, Phillips zu schnappen, wenn nicht sogar noch mehr. Von Anfang an hatte er zusammen mit Durban an diesem Fall gearbeitet. Nur dass Durban jetzt tot war, was nicht das Geringste mit Orme zu tun hatte, aber sehr viel mit Monk.
    Sie folgten der Hauptgasse, die sie immer weiter fort vom Hafen führte. Sie marschierten zügig. Zu beiden Seiten klafften Hauseingänge und bisweilen Gassen von weniger als einem Meter Breite, die nicht selten nach wenigen Schritten an Mauern endeten.
    »Er wird noch’ne ganze Weile weiterlaufen«, stieß Orme grimmig hervor. »Instinkt. Auch wenn er hier leben kann wie die Made im Speck.«
    »Er wird hier Freunde haben«, stimmte Monk zu.
    »Und Feinde«, knurrte Orme. »Er ist ein verkommenes Subjekt. Es gibt keinen, den er nicht für’nen Sixpence verraten würde. Darum wird er auch nirgendwo mit Treue rechnen … Versuchen wir’s mal mit dem hier.« Er deutete auf einen verschlungenen Weg zu ihrer Linken, der offenbar zurück zum Hafen führte. Noch während des Sprechens hatte er das Tempo verschärft – wie ein Hund, der neue Witterung von seiner Beute aufgenommen hat.
    Monk widersprach nicht, blieb aber dicht hinter Orme. Der Platz reichte nicht, um

Weitere Kostenlose Bücher