Galgenfrist für einen Mörder: Roman
nebeneinander zu gehen. Irgendwo links von ihnen fluchte ein Mann, und eine Frau stieß Beschimpfungen aus. Ein Hund begann zu kläffen, und vor sich hörten sie Schritte. Orme fing an zu rennen, Monk folgte ihm auf dem Fuß. Rechts nahmen sie einen niedrigen Torbogen wahr, durch den irgendetwas huschte. Orme blieb so abrupt stehen, dass Monk zuerst gegen ihn und dann gegen eine Wand prallte, über die aus einem offenbar losen Abflussrohr weit oben im Dunklen eine Flüssigkeit rann.
Orme setzte sich wieder in Bewegung, jetzt allerdings vorsichtiger. Immer waren sie diejenigen, die auf der Hut sein mussten. Hinter jeder Mauer, jedem Bogen oder Eingang konnte Phillips, das Messer in der Hand, lauern. Er konnte und würde jedem, der eine Bedrohung für ihn darstellte, den Bauch aufschlitzen. Ein Polizist durfte nur töten, um sein eigenes Leben oder das von Menschen in Todesgefahr zu retten. Und trotzdem musste er danach beweisen, dass es keine andere Möglichkeit gegeben hatte.
Phillips konnte am Hafen in zwei entgegengesetzte Richtungen fliehen, an Deck eines der an der Mole vertäuten Schiffe klettern oder die Stufen hinunter zu einem Leichter laufen und erneut den Fluss überqueren. Kurz, sie konnten sich nicht ewig hinter der Mauer verschanzen.
»Zusammen«, knurrte Monk. »Alle beide kann er nicht kriegen. Los!«
Orme gehorchte, und sie stürmten durch die Öffnung in das grelle Sonnenlicht. Von Phillips fehlte jede Spur. Monk wurde von dem Gefühl überwältigt, geschlagen worden zu sein. Er musste regelrecht um Luft ringen, und in seinem Magen breitete sich Schmerz aus. Phillips hätte überallhin verschwinden können. Es war dumm von ihm gewesen, seine Verhaftung als reine Formsache zu betrachten, bevor er tatsächlich hinter Schloss und Riegel saß. Er hatte sich einfach zu früh an seinem vermeintlichen Sieg berauscht. Die eigene Arroganz stieg ihm jetzt wie bittere Galle in den Mund.
Am liebsten hätte er blind auf irgendjemanden eingeschlagen, aber da war niemand, dem er die Schuld geben konnte, außer sich selbst. Er wusste, dass er mehr Kraft, mehr Selbstbeherrschung beweisen musste. Ein guter Führer musste fähig sein, den Zorn hinunterzuschlucken und sofort an den nächsten Schritt zu denken. Es galt, zu handeln, Enttäuschung oder Wut zu verbergen, persönlichen Schmerz zu ersticken. Durban hätte das getan. Daran musste Monk sich messen, und zwar mehr denn je, nun, da er Phillips verloren hatte.
»Laufen Sie nach Norden«, befahl er Orme. »Ich versuche es mit der anderen Richtung. Wo ist eigentlich Coulter?« Er spähte nach dem Mann, den er am Kai zurückgelassen hatte. Dann entdeckte er gleichzeitig mit Orme unter all den Hafenarbeitern den Beamten in der dunklen Uniform. Coulter bemerkte sie ebenfalls und begann, heftig zu gestikulieren.
Sie rannten los. Nur mit Mühe konnten sie erst einem Pferdekarren, dann einem schwer beladenen Lastenträger ausweichen.
»Die Stufen runter!«, brüllte Coulter und deutete hektisch auf das Wasser hinter dem Schiff. »Er hat ein Messer und hält einen von den Bootsmännern als Geisel! Kommen Sie schnell!«
»Wo ist unser Boot?«, rief Monk, sprang über ein im Weg liegendes Fass und geriet dann auf den unebenen Steinen ins Stolpern. »Wo stecken die anderen?«
»Sind hinter ihm her«, antwortete Coulter, instinktiv an Orme gewandt. Normalerweise achtete er auf korrektes Benehmen, aber in der Hitze des Gefechts setzten sich die alten Gewohnheiten durch. »Sie werden ihn schnell einholen. Leichterboote sind langsam. Aber ich hab eine Fähre beschlagnahmt, die da unten auf uns wartet. Beeilen Sie sich, Sir!« Er lief zu den Stufen und kletterte hinunter, ohne sich zu vergewissern, dass ihm Monk und Orme tatsächlich folgten.
Monk eilte hinter ihm her. Er musste Coulter loben und durfte auf keinen Fall den Moment mit Kritik über fehlenden Respekt verderben. So schnell er konnte, stieg er die mit Schlamm verschmierten Stufen hinunter und sprang an Bord der Fähre. Die Enttäuschung darüber, dass jetzt die Ruderer seines eigenen Bootes diejenigen sein würden, die Phillips verhafteten, schluckte er hinunter. Er würde sie gerade rechtzeitig erreichen, um sie zu beglückwünschen.
Aber sie waren schließlich eine Mannschaft, hielt er sich vor, als Orme hinter ihm an Deck sprang und dem Fährschiffer zurief, er solle losfahren. Es war wirklich nicht nötig, dass er die Verhaftung persönlich vornahm, tröstete er sich. Es war völlig egal, wer Phillips
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